Von hodermatt, personalblog:
Aus Pakistan berichtet: Dr. Yahya Hassan Bajwa, 47, Kommunikationswissenschaftler & Dolmetscher, Dozent; www.livingeducation.org und www.dasteshafqat.org.pk
LivingEducation
Sozialprojekte
5400 Baden
PC Konto: 60-223344-6
sowie Tamara Senn*)
*) Tamara Senn kommt aus Läufelfingen/BL und studierte an der Fachhochschule Zentralschweiz; sie ist diplomierte Betriebsökonomin, FH. Während ihrer Studienzeit war sie Studentin von Dr. Yahya Hassan Bajwa.
Salaam aus Pakistan Tamara und Yahya
«(…) Pakistan ist bekannt und berüchtigt für die langjährige Auseinandersetzung zwischen den Weltmächten am Hindukusch, den Taliban und Al-Qaida. Zwar weiss niemand so genau, ausser der Weltmacht, wer Al-Qaida (aktuell, bpb, Islamismus) ist, doch dies spielt für die leidende Bevölkerung Pakistans keine Rolle. Heute sind die Medien voll mit Berichten über die abgesetzten Richter – wie wenn keine anderen Probleme in Pakistan existieren würden. Die verschiedenen Minister reichen sich die Türklinken, bis nun die Minister der Pakistan Muslim Liga von Nawaz Sharif geschlossen zurückgetreten sind. Pakistan ohne Regierung. Da halfen die Meetings zwischen den Politiker der Pakistan People’s Party und der Muslim Liga weder in Pakistan, noch Dubai, noch England. Auf den Mond, müsste man vielleicht die Politiker schiessen.
Selbstmordanschläge, Taliban und Demokratie
Die vergangenen Berichten waren geprägt von den Streiks der Anwälte nach der Entlassung der Richter im obersten Gerichtshof (Supreme Court) anfangs 2007 durch den heutigen Präsidenten Musharraf. Geprägt von den Selbstmordanschläge, besonders im Grenzgebiet zu Afghanistan. Dann die missglückte Rückkehr des wegen Korruption abgesetzten Ex-Premierministers Nawaz Sharif nach Pakistan. Die erfolgreiche Rückkehr in die Heimat der wegen Korruption abgesetzten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto nach dem Deal zwischen Bhutto und Musharraf. Im Dezember dann die Ermordung der einzigen demokratischen Hoffnungsträgerin des Westens, Benazir Bhutto, war ein Höhepunkt der traurigen Berichterstattung. Noch trauriger im Westen wohl die Erkenntnis, nachdem das Vermächtnis der Ermordeten verlesen wurde, dass – ganz nach demokratischem Verständnis -, Benazir Bhutto ihren Ehemann Asif Zardari, ehemals als Mr. 10% bekannt, zum Chef ihrer Familienpartei, der Pakistan People’s Party, erkoren hatte. Darauf folgte der Grösste PR Gage in der politischen Landschaft Pakistans, als aus ihrem Sohn Belawal Zardari, Belawal Bhutto Zardari wurde – später nur noch Belawal Bhutto. Somit lebt die Legende „Bhutto“ weiter – auch wenn verfälscht, doch das spielt in Pakistan, der gefälschten Rolex, Omegas oder Breitlings, keine Rolle. Ach ja, ganz nebenbei wurde noch anfangs Jahr gewählt – fast ohne Wahlbetrug und fast ohne Anschläge. Die neue Regierung ist gerade dabei, sich wieder aufzulösen…
Die wirklichen Probleme kann man in Zahlen ausdrücken
Kostete letztes Jahr das Kilo Reis noch 40 Rupien, so muss man heute bereits 96 bezahlen. Ein Liter Öl kostete einst 72 Rupien, heute mehr als doppelt soviel: 145. Zucker war einmal 19 Rupien, unter der neuen Regierung, die Preise wie vor 15 Jahren versprochen hat, 29 Rupien. Für Linsen, das Essen der armen Leute, legte man einmal 35 Rupien pro Kilo hin – heute 65. Für ein Kilogramm Pfeffer bezahlte man 2007 70 Rupien, 2008 bereits 230 – der Ausdruck „Pfeffersäcke“ aus dem Mittelalter kommt mir da in den Sinn. Ein Kilo Mehl, ein lebensnotwendiges Lebensmittel, kostet heute 20 Rupien, letztes Jahr noch 13. Treibstoff – z.B. ein Liter Diesel – kostete letztes Jahr 29 Rupien, seit einigen Tagen 53 – Tendenz steigend. Doch die Medien trauern den abgesetzten Richtern nach…
Christen, Muslime – und die Möglichkeit des friedlichen Zusammenlebens
(Text: Tamara Senn) Leistet man den westlichen Medien folge, dann sollte sich ein Westler erst recht nicht in ein Land begehen, welches sich seit Jahren am Rande des Abgrundes befindet. Erst recht ist man als Christ in Pakistan an Leib und Seele bedroht. Christen sind in Pakistan nicht anerkannt und zwischen Muslimen und Christen treten immer wieder Spannungen auf. Zwischen all diesen Problematiken trotzt Living Education all den Widrigkeiten und kämpft mit aller Kraft für ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen, Hindus und Muslime.
Tamara Senn mit Kindern aus dem Dorf in Paran bei Faisalabad, anlässlich des islamischen Osterfestes vom Okt. 2007
Es geht nicht um Religionen, sondern in erster Linie geht es um Menschlichkeit, egal welcher Religion ein Mensch angehört. Friedenspädagogik, Menschlichkeit und Nächstenliebe sollten bei jedem Menschen an erster Stelle stehen und nicht die Frage nach der Religionszugehörigkeit. Genau diese Grundsätze vermittelt LivingEducation seinen Schülerinnen tagtäglich. Eine eindrückliche Szenen, welche ich mit Schülerinnen von LivingEducation erleben konnte, sah wie folgt aus:
Tamara Senn mit Mädchen vom Internat in Athal – Bhara Kau/Islamabad.
Christen und Muslime besammeln sich gemeinsam. Christen singen Psalmlieder. Muslime singen Lobeshymnen zum Propheten Mohammed. Eine Christin meint, sie kenne auch eine Lobeshymne zum Propheten Mohammed und beginnt alleine die Lobpreisung zu singen. Christen wie Muslim bedecken ihr Haupt als Zeichen des Respekts gegenüber den heiligen Büchern. Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen verschiedenen Religionen durchwegs stattfinden kann und stattfinden sollte. Denn letztlich geht es um Respekt, Toleranz und Menschlichkeit und nichts anderes.
Meine Beweggründe nach Pakistan zu reisen lagen darin, dass ich meine Diplomarbeit, welche ich im Jahre 2007 für LivingEducation schrieb, in die Theorie umzusetzen. Für mich ist es der zweite Aufenthalt bei LivingEducation und jedes Mal ist der Aufenthalt in Pakistan ein besonderes Erlebnis. Es ist mir ein Anliegen, dass die falschen Bilder, welche in den Köpfen unserer Gesellschaft eingebrannt sind, verschwinden – Ganz nach dem Motto: Nicht nur Krisen – das andere Gesicht Pakistans.
Dr. Yahya Hassan Bajwa und Tamara Senn
Da kann nur noch das «elfte» Gebot, welches selbst die Christen nicht kennen, nachgereicht werden: «Du sollst aufgeschlossen sein!»