Rothrist, ein «08.15»-Dorf mit Kleinbahnhof und vielen, vielen Gleisen – ein Modeleisenbahn-Bahnhof. Nur Sportler erinnern sich dieses Jahr noch an diesen Ort, weil aus ebendiesen nun untertunnelten und begradigten Bergen das Rivella sprudelt – mal rot, mal blau, mal grün, je nachdem ob und wie frau/man sich über dieses Jahrhundertbauwerk der Bahn2000 ärgert oder freut.
40 jährige rote und grüne Kesselwagen fahren auf der alten Strecke – nicht für hoch- preisiges Rivella, sondern für explosiv auf fast gleiches Preisniveau gestiegenes und aussehendes Sportfahrzeuggetränkt. «Mobile», mal etwas Börsenkotiertes mit altbekanntem Logo, ehemals knallrot, heute blau – und schon anno dazumal grün bei «BP» (kennen Sie das heutige Logo?). Die Zeiten ändern. Ohne Zucker oder Blei – wenige erst ökologisch tee- oder gasgrün.
Die gesamtökologische Realität dieser 48 km Neubaustrecke, die von Bern nach Zürich einen Zeitgewinn von rund 10 Minuten bringt, betrachten wir nicht. Wohl aber das andere Ende dieser neusten Tunnel- und Tälerlandschaft – eben Mattstetten. 5 vor 12 war es für diesen Kleinst-Bahnhof schon vor dreissig Jahren. Hier hält schon lange kein Zug mehr. Der schnelle fährt sogar respektlos unten im Grauholztunnel durch.
Und kurz zuvor durchfährt er den «Emmi-Käse-Tunnel». Eine wohl weltweite Sensation. Nicht, dass er einer der wenigen nicht im Bau eingestürzten Tunnel ist, sondern dass es eine 300 m lange oberirdische Tunnelröhre ist, die unseren waschechten Emmentaler nicht erschüttert. Aber es sollte schon erschüttern, denn weder Emmentaler noch diese «Herausforderung einer Käselager Passage», so die offizielle SBB-Schreibweise in der Broschüre über den «Schritt in die Zukunft», sind patent- noch markenrechtlich geschützt.
Manchmal haben wir das Gefühl, in der Schweiz auf dem falschen Dampfer – sorry in der falschen Bahn – zu sitzen. Wie zu Gotthelfs Zeiten, als das Plumpsklosett schon nicht mehr zur Zukunft zählte. Die gibt es aber bei unseren Bundesbahnen immer noch und deshalb schützt dieses Betonungetüm den Käse auch vor negativen hygienischen Einflüssen.
Zu Gotthelfs Zeiten hat die Planung der Bahn 2000 nicht gerade angefangen, aber vor der Idee eines TGV. Und dieser fährt seit mehr als 20 Jahren durch Frankreich. Auf neuen Trassen, mit damals neu entwickelten Bahnkompositionen, durch ein Land, das mehr Emmentaler produziert, als die Schweiz. Früher hielt der TGV auch schon mal in Langenthal, als die Bahn2004 fast 2005, nein eben die Bahn2000, noch nicht eingeweiht war. Keiner hält mehr.
Vor rund 150 Jahren wurde Jeremias Gotthelf, das Pseudonym eines Schriftsteller aus dieser, bahnzerschnittenen, durchlöcherten, etwas langsamen aber immer noch schönen und heilen Welt begraben. Ja, langsam wäre es für uns Schweizer an der Zeit, nicht Todestage zu feiern, sondern zu überlegen, wohin uns die Zukunft führt. Im Grunde genommen ist das wichtig, was uns Albert Bitzius zu Lebzeiten sagte und schrieb.
Heute brauchen sie von Mattstetten bis Rothrist mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1 Stunde 11 Minuten, dreimal umsteigen inbegriffen – von Bern nach Zürich 58 Minuten, sinnvoller weise ohne Umsteigen
Tunnel zwischen Autobahn und Emmi Kirchberg