Bedeckte Cuvées und 44 Jahre bleifreier Genuss

Sammler und Geniesser haben manchmal ein anstrengendes Leben. Einiges aus den letzten Tagen. Es muss nicht immer alles teuer sein. Aber eines muss billig sein – das Weinglas: nur Glas und ja kein Blei oder andere Metalle. Und so nebenbei – was ist ein Cuvéé? Das wohl verwirrlichste Wort im ganzen Weinbau.

Beinharte Typen in Beinwill auf dem Whiskyschiff. Einige stapfen im Kilt umher. Die Temperatur rät zumindest auf dem Oberdeck zu etwas mehr, denn kniehohe Wollsocken. Aber herrliche Gespräche, auf Englisch – sorry, Schottisch, die sind ja fast aus einem anderen Land, möchten «Europäer» bleiben. Ich möchte mal einen klaren Whisky trinken. «Ungeniessbar!» Wir werden sehen.

Swiss Mountain Single Malt Whisky Master Distiller – Peter Hadorn aus der Genussoase in der Stadt Bern, «den musst du probieren!» Wunderschöner Whisky von meinem Pfeifentabak-Hersteller kredenzt. Nur, ich kaufe fast mehr antike Pfeifen, als dass ich welche rauche. Kalebasse für zwanzig Stutz und eine alte Mehrschaum für den gleichen Preis. Reinigen ist nicht ganz einfach … aber dafür ein echter Rauchgenuss. Gibt es auch auf dem Schiff. Peter mag Spass vertragen. Whisky, das ist doch das Gesöff, das mit dem Vollernter eingefahren wird, GPS-gesteuert wenn es sein muss, dann meist nur einmal gebrannt – Single Malt, tönt besser. Anschliessend kommt Geschmack hinzu – Torf, das ist wie schottische Gartenerde und Eichengeschmack.

Das Oberdeck zum Rauchen ist noch weit entfernt, aber bei Langatun stehen so viele, dass wir erst nachher hier vorbeikommen. Wir greifen vor. Einen 2005er, der erste Langenthaler Whisky ist noch fünf, vielleicht sechs Meter Luftlinie von meiner Tastatur entfernt. In einer der beiden Schatztruhen. Über den habe ich sicher schon mal geschrieben. Hans, der Chef ist nicht da. Politik interessiert ihn auch nicht mehr, denn mein ehemaliger Vornamensvetter hat ihn wieder abgelöst. Das waren noch Zeiten, als wir drei als Grossratsgreenhörner zusammen auf der Liste waren. Ich habe damals zu meinem Glück «kläglich» versagt. Bin jetzt ja auch am Hallwilersee in meinem neuen Wohnkanton. Aber viel interessanter ist, was ich in einem Gurkenglas finde! Einen klaren Whisky! Der schmeckt nach Natur, nach einem Nahrungsmittel und nicht nach «modriger Walderde und verbranntem Holz». Hab ich das letzte Mal vor knapp vierzig Jahren in Teenie-See – oder wie man das schreibt – genossen. Scheint nicht der heutige Whisky-Trend zu sein. Ich finde diese Spezialität nicht im Sortiment, das heute aus Aarwangen kommt.

Sprung zurück aufs Oberdeck. Villiger ist hier und Maria Sanchez. Sie freut sich über einen Link. Absoluter Höhepunkt des Whiskyschiffs. Hier ist die Luft auch trotz wenigen Cigarrenrauchern total angenehm. Im Saal des Restaurants, wo auch Whiskies ausgeschenkt werden, stinkt es wesentlich schlimmer, als in jedem Fumoir. Nur, mit Gasmaske degustieren ist nicht ganz einfach. Dann ein Tiefschlag. «Möchten Sie eine Cigarre rauchen?» Sicher, am liebsten diejenige, die Sie eben in das Separatfach gelegt haben. «Dann müssen Sie drei Cigarren kaufen und kriegen diese geschenkt.» Etwas peinlich. Ich möchte drei dicke Damen, drei Fat Ladies – drei Mal El Capitano.

So zwischendurch. Merken sie, dass ich doch recht gerne schreibe, aber mit der heutigen Googelei nicht mehr viel am Hals habe. Sorry, von der Fat Lady, die aus dem Sortiment gekippt wurde, habe ich kein Bild. Zugegeben, ich habe nicht extrem viele solche dicke Damen vernascht, aber aus dem Sortiment rausschmeissen … lieber Heinrich Villiger … das geht doch nicht, wirklich nicht! Das sind Marketingüberlegungen. Auch ihr «Marketingmensch» hat dies bedauert und über viele ähnliche Erlebnisse erzählt. Übrigens, wenn’s klappt, ist die «Reklamation» auch via Tochter Corinne und Enkelinnen auf dem richtigen Weg, dass es diese Wundercigarre wieder im Villiger-Sortiment gibt.

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Danke. Ich hab diese «Cigarillo» erhalten. Frisch gedreht, etwas über 4 (vier) Stunden am nächsten Tag geraucht – ohne Unterbruch. Nur, ich bin ein Anfänger und habe am Schluss noch zwei neue Zündhölzer gebraucht. Wow. Wow. Wow. Das High-Light des späten Nachmittags. Es gab noch einen herrlichen Williams von änet em See und einen Gurken Gin. Vermutlich im Trend für makabre Gesöffe. Vielleicht findet er den Urs, der gemüsefreien Gin brennt – den Blackmoon Gin und habe ihm vorgeschlagen, sich mal zu treffen. Vielleicht könnte ich denen noch einige Tipps geben. Eine gute URL hätte ich denen auch – aber das Gurken-Zeugs ist echt Geschmacksache. Der nächste echte Blackmoon ist im August 2019 – zweimal Neumond im gleichen Kalendermonat.

Country-Wechsel. Ich düse gegen den östlichen Süd-Schwarzwald und im Waldhaus scheint echt was zu laufen. Diese Brauerei haben wir vor kurzem ausgelassen, denn es wäre etwas viel des Degustativen geworden. Viele Leute – Blinker raus, Steuer rumreissen, da gibt es garantiert was zu sehen.

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Knappe Stunde und eine Brauereibesichtigung, Degustation und eine Bierflasche mit in die Ferien – zwei Hefen, fünf verschiedene Gersten (Malz)und sieben Hopfen (oder umgekehrt).

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Medaillen gekröntes Weltmeisterbier dürfte auch nicht jedermanns Geschmack sein – hopfig/bitter und blumig. Die Geschmäcker sind verschieden. Hier ein ausführliches Aromaprofil um den eigenen Geschmack – oder eben ein zu degustierendes Bier – herauszufinden. Die Brauerei und der Braumeister haben echt Spass gemacht, aber das Geschenk, die Bier-Mischung, das ist heutiger Emporkömmlingsgeschmack. Pfui Spucke. Hexenzauber ist sein Name. Sorry, Hopfenzauber. Das Bier im Keller hat echt toll geschmeckt. Wieso muss heute alles auf den Spinnegeschmack abgestellt werden. Wegen des Verdienstes! Für speiüble Sachen sind die Menschen heute bereit, jeden Betrag zu bezahlen. Marketing … vor allem die davon betreffenden 5% Werbung sind heute wichtig. Verkauft der Menschheit allen Sch… . Wichtig ist, dass wir Geld verdienen. Sorry, Wein und Bier ist heute für jeden Emporkömmling erstehbar und alle rennen nach dem, was der andere sagt, es sei gut. Cuvées, sind werbemässig betrachtet nichts anderes als Mischgetränke, die auf den «Standardgeschmack» getrimmt wurden. Meist charakterlos. Oder dann so extrem, dass … na ja, Red Bull soll ja auch ein Hochgenuss sein, wird zumindest von vielen getrunken.

Ich liebe Weine und auch Biere, die typisch sind. Sortenrein. Eine der «schwierigsten» ist der Pinot Noir. Da habe ich eine Flasche auf dem Flohmarkt gekauft. Ohne Jahrgangsangabe. Aufgrund der Etikette habe ich zwischen 40 und 50 Jahre getippt. Fünf Franken hat der nachfolgende «Spass» gekostet. Mit meinem langjährigen Kollegen ausgetestet. Er kennt Wein aus eigener familiärer Anbautradition. Der Korken war nicht echt rauszukriegen. Zu mürb. Also den Rest in die Flasche rein und mit einem Teesieb filtrieren. Aus dem INAO-Glas schmeckt er lau. «Das Glas hab ich aus Vaquerras, wo wir zusammen Wein eingekauft haben». Ich erinnere mich nur noch schwach, denn wir haben in der Gegend auch Cairanne und Gigondas genossen. Die grösseren Gewächse.

Da gibt es nur den Löffeltest. Ans Glas schlagen und hören wie es klingt. Glockenklang ist für Wein fürchterlich. Glockenklang für eine Kaffeetasse ist angesagt. Porzellan muss wie eine Glocke tönen. Weingläser müssen klirren, nicht mit einem langanhaltenden Ton beim Prosten ertönen. Das dritte Glas, ein ganz gewöhnliches Weinglas, das hat es in sich. Da schmeckt der der alte Pinot herrlich. In der Nase und im Gaumen. Jiri holt ein echtes Kristallglas aus Tschechien, seiner Heimat. Heimat. Das war einmal. Hat im 68 seinen Ursprung, dass er geflohen ist. Nächstes Jahr feiern wir 50 Jahre  «Dubtscheck, Swoboda, d’Russe hei Seich abglah». Ungeniessbar, flau und ohne Kraft, geschweige denn Geschmack. Nicht nur der Wein aus dem herrlich verzierten Glas.

Blei oder auch Platin, wie heute die Riegel-Gläser von Schott angeboten werden, sind für jungen Wein. Metall im Glas ergibt eine Elektrolyse und baut die Säure ab. Das ist bei unserem alten Wein absolut überflüssig. Das hat mir vor Jahrzehnten schon einmal der Finanzchef der Glasbläserei Hergiswil erklärt. Ich habe darauf meine Saarner Kristallgläser, schöner und billiger, verschenkt. Glas, Glas und nochmals Glas. Der Clef du Vin lässt grüssen. Die römische Errungenschaft hat die gleichen Eigenschaften. Die gestrige Weindegustation ist ein Höhepunkt.

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Das billigste Glas, rechts, in dieser Reihenfolge, ist absolut das beste Weinglas. Das Kristallglas links ist für neuen,»unreifen» Wein geeignet.

Bleiben wir bei neuem Wein. Den haben wir zum Aperitif getrunken. Made in EU. EUR 1.29 für 1,5 Liter. Musste ich zum Degustieren kaufen. Fünf Personen haben den getrunken. Ein guter Wein, aber 100%ig eine Mischung. Eine Meisterleistung des Kellermeisters. Rund siebzig Rappen für den Inhalt einer Weinflasche. 70 Rappen! Total verrückt und zu dritt haben wir den mit einem Chablis Grand Cru verglichen. Zwei waren für den Verschnitt. Ich doch für den dreissig Mal teureren. Aber 30 Mal war er nicht echt wert. Echt eine Meisterleistung in Sachen preiswert, was heute Kellertechniker anbieten. Der Chardonnay lässt grüssen. Wer sich in die Kalkulation von Wein einleben kann, der findet echt preisliche Trouvaillen. Oder anders gesagt, für Marketing haben die nicht mehr viel Spielraum. Nur, viele Leute wollen heute einen teuren Wein, eine moderne Etikette, klingende oder bekannte Namen.

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Die Weinproduktion ist heute so professionell, dass man lieber die Kostenseite, als die Verkaufspreise anschauen muss. Nur, an diese Zahlen kommen sie selten heran. Bei einem beliebten Wein in der Schweiz habe ich in meiner Jugendzeit den Einstandspreis gesehen. Damals, als die Zollpapiere noch am Kesselwagen angebracht waren. Der Don Pasqual war mit 90 Rappen je Liter in die Schweiz eingeführt worden. Das prägt Zahlenmenschen, die ihr Studium in Marketing abgeschlossen haben.

Auf dem Bild oben ist auch Bergbauernmilch zu sehen. Kuhmilch, das möchte ich eigentlich. Die Biomilch hatte 3,8 Prozent Fettgehalt, die andere nur 3,5 Prozent. Milch, die unsere Bauern abliefern, muss immer über 4 Prozent haben. Die Differenz ist Sahne – für den Handel. Schön, wenn man sieht, dass auf einem Beutel auch Bananenmilch, Vanillemilch und Erdbeermilch angepriesen werden. Aus was werden die wohl gemacht.

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25 Prozent Fruchtbestandteile aus Konzentrat. Fröhliche Früchtchen! Das heisst, 90 bis 95 Prozent zugefügtes Wasser …

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… weniger Wasser gibt es nur bei der Donauversickerung. Nämlich gar keines mehr. Die blaue Donau lässt grüssen.

Übrigens, auf dem Flaschenboden des Savigny-les-Baunes steht «74». Das Jahr, in dem die Flasche gegossen wurde. Mit dem richtigen Weinglas, bleifrei, schmeckt ein alter Wein unter Umständen herrlich. Und wer alten, anscheinend ungeniessbaren Wein ausschütten will, soll den doch mir geben. Ob es ein Cuvée ist spielt eh keine Rolle.

Das wohl undefinierteste Wort in der ganzen Weinwelt. Ein tête de cuvée, das Beste eines Weingutes oder der Cuvée in der Champagne, der zuerst abfliessende Traubenmost, der süsseste, beste. Cuvée ist im Französischen ein separat vergorener Wein, genaugenommen ein Behälter, cuver son vin – gären. Im deutschen Sprachgebrauch ist Cuve oder Cuvée eine Mischung. Über einige Cuvée gehört ein Deckel drauf – Duvée drauf oder couvre. Es gibt vier Cuvée-Gebiete, die man wirklich kennen sollte: roten und weissen Bordeaux, Champagner und Ch9dP – Châteauneuf-du-Pape mit bis zu dreizehn, resp. 22 zugelassenen Weinsorten.

 

2 thoughts on “Bedeckte Cuvées und 44 Jahre bleifreier Genuss”

  1. Hallo Stefan

    Herzlichen Dank für’s Erwähnen von Blackmoon Gin in Deinem Beitrag. Wie War, Gin ist Geschmackssache. Deshalb destilliere ich auch 3 verschiedene Rezepte. So ist die Chance etwas Passendes zu finden doch schon merklich höher. Ob tannig grün, fruchtig süsslich oder fruchtig scharf …..

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