Lass dir Zeit zum Leben


Heute habe ich einen Brief von einer Pflegerin erhalten, die mich vor gut zwei Jahren betreut hat … den will ich euch nicht vorenthalten. Dies als Beispiel dafür, wie sich das Schweizer Pflegepersonal um ihre Patienten kümmert. Dieser Brief bewegt – vermutlich nicht nur mich.

«An Herrn Marti

Sie werden sicher überrascht sein, dass ich ihnen schreibe. Ich weiss nicht ob sie sich noch daran errinnern, als sie sehr krank waren und im Haus 7 auf der Station 711 lagen. Ich arbeite dort und manchmal überkommt es mich, dass ich gerne nachfrage, wie es diesen Menschen so ergeht. Wie er sich erholt hat und wie er sein Leben jetzt verbringt.

Nicht dass sie jetzt meinen, was das soll. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, das überhaupt nicht.

Ich begleite oftmals Patienten in schwierigen Situationen und wenn es ihnen besser geht, hört man selten was. Ich fand es damals, als sie frisch aus der Reha kamen und sie auf unsere Abteilung kamen um hallo zu sagen, hat mich gefreut. Ich hoffe, es geht ihnen gut und sehe wenn ich öfters zu meiner Mutter fahre, dass die Schmitte, ihr Domizil, schon sehr schön Gestalt annimmt, was man von aussen sehen kann.

Ich hab sie immer sehr bewundert, oder anders gesagt, hre Kraft und Ausdauer zur Genesung hat mich sehr beeindruckt. Ich wünsche ihnen weiterhin alles Gute.

Ich bin nicht so gut im Schreiben, doch ich schreibe von Herzen. Und eben, möchte ihnen nicht zu nahe treten. Nur fragen, wie es ihnen geht, das fragt eine Person, der es sehr wichtig ist, wie es ihren Mitmenschen geht.

Es grüsst sie freundlich Frau H-S

Pflegeassistentin auf 711

vielleicht erinner sie sich. Alles Gute auch ihrer Partnerin»

Und ob ich mich erinnere. Das Moblog im Finanzblog zeigt ja immer noch die Spitalbank vor dem Haus Nr. 7 – das Bild ist nur alleine für mich. Es gibt mir eine Art Kraft. Ich konnte es ja damals nicht einmal selbst fotografieren. Meine Partnerin hat es geschossen. Wurde von den Pflegerinnen und Pflegern in den Rollstuhl gehievt, angebunden und herumgestossen … nach Monaten wieder für kurze Zeit draussen, an der Sonne. Das vergesst man nicht.

Der Brief berührt mich. Tränen kollern und der Kaminfeger reinigt zur gleichen Zeit meinen Chemineeofen. Er hat seinen Rücken mir zugewandt. Kaminfeger bringen Glück und trotzdem ist es einmal bei jedem zu Ende. Bei einem später, beim andern früher. Der Chef des Kaminfegers wird es mir nicht übel nehmen – er heisst Segessemann – der Sensemann. Weiss auf dem schwarzen Kaminfegerkombi.

Segessemann

Der Tod. Nicht jeder Vermögensverwalter kann mit seinen Kunden über diesen diskutieren – und trotzdem wäre es wichtig. Wenn es im Leben einmal hiess «It´s not your Time«, fällt einem dies noch viel leichter. Ja Tränen sollen eigentlich nicht erst kommen, wenn jemand stirbt. Lasst doch mal eine Freudenträne raus, wenn jemand noch – oder eben «wieder» – lebt.

Stephansplatz

Diesen Monat schon zum zweiten mal. Beim Anzünden einer Kerze. Eine Aerztin hat zu meiner schlimmsten Zeit im Stephans Dom in Wien eine Kerze für mich angezündet. Sie kannte mich damals noch nicht persönlich, nur meine Partnerin. Die Kerze hat auch geholfen. Ich hab schon hunderte verschiedener Kirchen von innen gesehen. Das war die erste Kerze dieser Art, die ich in einer Kirche angezündet habe.

Kerzen im Dom

Verzeiht mir, ich habe trotz Hinweis fotografiert – die links oben ist «meine» – geschenkt hat sie mir meine Freundin. Danke noch an alle. Auf dem Abreisszettel stand:

«Wenn es dein Wille ist, dann befreie mich aus dieser Not. Lass mich wissen, dass du stärker bist als alle Not.»

Dach vom Stephans Dom

… und so geht es mir heute, um auf die Frage im Brief zurückzukommen. 7 x 7 x 7 Stufen, schnell «durchgezogen». Klatschnass, aber voller Freude und immer noch den Blickwinkel für das ganz-anders. Auf 711 war ich schon dreimal nach wieder erlangter Freiheit. Ich komme wieder … vielleicht morgen in vierzehn Tagen.

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Vor einem Jahr im Finanzblog:
«Der Finanzblogger auf Reisen – 1. Teil»

Vor 2 Jahren erschienen:
Noah-Effekt

Vor 3 Jahren erschienen:
Börsenastrologie und Astrozyt

Vor 4 Jahren erschienen:
China, Indien und die Bananrepublik USA

Vor 5 Jahren erschienen:
Ökologische Bericht-Erstattung …

Vor 6 Jahren erschienen:
Unterschied Nanobeschichtung und Asbestbeschichtung

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3 thoughts on “Lass dir Zeit zum Leben”

  1. Schön, dass sich jemand für seine Arbeit interessiert. Qualitätskontrolle, so zu sagen. So was kommt heute eher selten vor. Kontrolliert wird nur, was im Arbeitsablauf vorgesehen ist. Mehr nicht, denn dies kann man nicht mehr in Rechnung stellen.
    Im Spital arbeiten Menschen für Menschen. Und wer für diese Tätigkeit berufen ist und nicht nur den Beruf ausübt, lässt Empathie zu und zeigt Respekt vor dem Leben. Wer sich so engagiert, lädt auch einiges auf seine Schultern. Von Zeit zu Zeit ist daher eine Supervision, «Abladen», angesagt. Der erwähnte Brief könnte eine solche Funktion erfüllen.
    Seit arbeitslose Betriebsberater das Gesundheitswesen entdeckt haben, sind die Patienten zu Kunden und damit zu einer «Ware» verkommen. Der Kunde ist als Zahler interessant und deshalb muss man ihm vermehrt ein Bedürfnis schaffen; schliesslich müssen Betriebe Wachstum erzeugen. Die «Mengenausweitung» kommt nicht von ungefähr. Dass es in diesem Umfeld noch Pflegefachpersonen gibt, die einen Bezug zum Patienten aufbauen, ist nicht mehr selbstverständlich.

  2. Ich gönne Dir eine gute Zukunft und hoffe Du wirst noch viel Spaß im Leben haben. Das möchte ja schließlich jeder, oder? Ich jedenfalls schon 😉 Wie dem auch sei, solltest Du das alles nicht so tragisch sehen. Die Welt geht davon nicht unter und Du wirst Dich ganz schnell wieder aufraffen können, da bin ich mir sicher.

    Also gutes Gelingen noch!

  3. … danke für den Kommentar … ich bin total «aufgerafft» und was am Bewegungsapparat noch nicht so gut klappt, versucht man in der Öffentlichkeit zu überspielen. Gestern habe ich mit jemandem das Nachtessen auf japanisch genossen, die auch aus dem Rollstuhl herauskonnte und vor sechs Monaten eine Hüftoperation hatten. Total aufgestellt und wie immer schnellen Fusses durch Zürich … und dann Freude haben über die Festhütten in der Bahnhofshalle und Staunen, was die Leute so alles für Kitsch und Unbracuhbares in Massen zusammenkaufen … statt hinzustehen und das Treiben gelassen zu geniessen.

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