Mit allen erdenklichen mathematischen Systemen wird versucht, die Börse voraus zu sagen. Bisher ohne Erfolg oder anders gesagt, mir hat noch nie jemand das Gegenteil beweisen können. Ich behaupte sogar, dass wir mit Finanzmathematik nie in der Lage sein werden, so eine Aufgabe zu lösen. Es geht hier nicht um finanztechnische Regeln, sondern um das Interpretieren des psychologischen Verhaltens vieler Menschen, einer Masse. Mit Kenntnissen der Psyche der Massen sind sie treffsicherer. Das Verhalten von Massen, egal welcher Art, kann heute am besten mit Software aus dem Bereich der Physik angegangen werden. Es dürften aber noch etliche Jahre vergehen, bis Physiker die bessere Trefferquote, als mancher Finänzler liefern dürfte.
Das Grundverhalten eines Charts ist immer der Mensch – und zwar, der Mensch in Massen betrachtet. Wenn sie für CHF 10’000 Néstle-Aktien kaufen, beeinflussen sie in einem ganz kleinen Rahmen auch den Néstle-Kurs, den SMI, andere Indexe, jede Menge an Fonds und und und … und von allen zusammen die gehandelt haben ergibt sich ein Schlusskurs. Ein Punkt. Und aus vielen oder verbundenen und trendmässig interpretierten Punkten ergibt sich eine Gerade.
Eine Gerade ist eine mathematische Funktion, die grafisch zwischen Ordinate und Abszisse ersichtlich ist. Die Abszisse, die Horizontale, die Waagrechte, die X-Achse oder wie die untere Skala sonst noch benannt wird, stellt bei Charts meistens die Zeit dar. Kurzfristig bis langfristig und praktisch immer in regelmässigen Abständen, linearen Skalen. Jede Zeiteinheit ist gleich lang – und so muss es auch sein. Spezialitäten lassen wir einmal ausser Acht.
Die Ordinate bereitet da schon mehr Schwierigkeiten. Die allermeisten Charts gehen auch hier von linearen Reihen aus. Logaritmische Charts sind eher für den Profi gedacht, werden aber auch in Verkaufsprospekten verwendet, um Entwicklungen in ein richtiges, sprich gewünschtes, Licht zu stellen. Mit einer entsprechenden Skale wird kann eine Gerade zu einer Kurve gestaltet werden. Wenn man einigen Quellen glauben darf, so sind einige mathematische Regeln seit Adam und Eva bekannt.
Über die dort beschriebene Division durch Null lässt sich auch streiten. Ist sie jetzt verboten oder ergibt das Resultat unendlich. Auf einer alten mechanischen Rechenmaschine mit Volltastatur, zum Beispiel einer Madas, lässt sich demonstrieren, dass «unendlich» richtig ist. Die stellt nicht mehr ab. Netzstecker ziehen und wieder einstecken bringt nichts, die dreht weiter – stundenlang, tagelang. Bis einer kommt, der weiss, wo im Innenleben der Maschine der Hebel ist, den man betätigen muss.
Genau gleich beim Chart, üben sie zuerst an einfachen Beispielen und wenn sie einen kurzfristigen Chart betrachten, vergleichen sie vielleicht noch schnell mal mit dem längerfristigen. Der zeigt vielleicht etwas ganz anderes. Und wenn sie mehrere Charts mit einander vergleichen, dann besonders auf die Skalen achten und schauen, wie das Verhältnis zwischen den Achsen ist. Indexierte Kurven oder prozentmässige Darstellungen sind für Vergleiche meist einfacher, denn ein Kursunterschied von CHF 10 ist bei einer Aktie ein grosser, bei einer andern ein kleiner Unterschied – je nachdem, wie teuer die Aktie ist.
Ich bin Anhänger der Charttechnik. Bei jedem Anlagehorizont haben mit Charts bereits geholfen. Limits lege ich meist nach Analyse des Intraday-Charts fest. Bei volatilen Werten rechnet sich das sehr häufig.
Warum Charts Prognosen ermöglichen, habe ich mich schon desöfteren gefragt. Dennoch habe ich mich auch schon häufig durch Charttechnik überzeugen lassen. It works but i dunno why 🙂
Grüße!
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: «Weil Menschen sich immer wieder gleich oder ähnlich verhalten. Und der Chart ist nur ein Abbild wie sich der Mensch (bei einem gewissen Titel …) verhalten hat.»
Der Ausdruck «technische Chart-Analyse» ist vielleicht ist vielleicht verwirrlich – trefender müsste es etwa heisen: psychologisch-technische Chart-Analyse.
In den Lehrgängen, die ich kenne, wird dem Punkt und dem Strich vielfach keine oder eine zu kleine Beachtung geschenkt. Der Mensch, die Masse beeinflusst die Börse, einen Aktientitel und pro Tag ergibt dies einen einfachen Schlusspunkt (Schlusskurs). Wenn wir dann in Charts herumkritzeln, technische Schlüsse ziehen, denken wir meist an Technik und überlegen nicht, wieso bei einem Kurswechsel zum Beispiel, die Menschen anders reagiert haben.
Es gibt auch Chartisten, die ganz spezielle, untippische Ereignisse an der Gesamtbörse oder beim Einzeltitel herausfiltern um das «normale Grundverhalten» besser feststellen zu können.
Einige sagen, dass sich die Börse nach den Chartmustern bewegen, weil viele nach ihnen leben und Charttechnik anwenden. Das Glaube ich aber nicht, denn ich vermute, dass zumindest in der Schweiz nur einige wenige Prozent der Anleger nach Chart-Überlegungen kaufen und und noch weniger verkaufen.
Ihre Frage ist sehr treffend und ich nehme diese Antwort, allenfalls noch ergänzt, vermutlich bei der nächsten Lektion gleich in den Blog. Merci