Gedanken zu einer möglichen neuen Religion

Deutschland, Frankreich und die Schweiz habe ich in den letzten drei Monaten bereist und einige interessante Leute kennen gelernt oder wieder einmal getroffen. Eine Dame oder ein Herr? Einfach jemand hat mir diesen ausführlichen Beitrag zur Verfügung gestellt. Diese Person kann herr-lich, frau-lich, ja göttlich analysieren. Der Name ist mir bekannt. Nennen wir sie «D.I.V.» – wie 504. Mehr dazu am Schluss dieses Beitrages.

Nehmen sie sich ausführlich Zeit um den Beitrag von D.I.V. zu lesen und stellen sie sämtliche Störfaktoren wie Radio oder Musik im Hintergrund ab.

 

Gedanken zu einer möglichen neuen Religion

Meine Ausgangsfrage ist folgende: Wie kam es denn dazu, dass nördlich der Alpen innerhalb von nur etwa 5 Jahren mächtige gesellschaftliche Bewegungen ins Leben gerufen wurden, nachdem ein damals noch völlig unbekannter Mönch und Professor namens Martin Luther im Jahre 1517 95 Thesen vor einem begrenzten Studentenkreis im sächsischen Städtchen Wittenberg verteidigt hatte – und zwar zu einer derart mächtigen gesellschaftlichen Bewegungen, dass dadurch eine Kirchenspaltung erfolgte und ein Phänomen ausgelöst wurde, das mit dem ungeschickten Singular „Reformation“ bezeichnet wurde?

– Diese Ausgangsfrage stellt den ersten Teil meiner Betrachungen dar. Es ist die Frage nach den Faktoren, die das Reformationsphänomen ausgelöst haben.

– In einem zweiten Teil möchte ich verdeutlichen, dass die sogenannte „Reformation“ sowohl in ihrer religiösen als auch in ihrer politischen Komponente längst nicht einheitlich war.

Abschließend und im Anhang möchte ich einige Überlegungen zu folgender Frage anstellen: Was für eine Reformation wäre heute erforderlich, damit in unserer westlichen Welt das Christentum mit seinen ganzen Infrastrukturen und wertvollen gesellschaftlichen Dienstleistungen nicht weiter dem Verfall ausgesetzt ist?

Zunächst zum ersten Punkt, nämlich zu den Faktoren, die die sogenannte „Reformation“ auslösten. Es ist falsch zu glauben, dass die 95 Thesen von Luther so genial und neu waren, dass allein dadurch Reformation und Kirchenspaltungen zustande kamen!

Es gab nämlich in allen Jahrhunderten immer wieder Menschen, die die wiederholt auftretenden Missstände bei der Ausübung der christlichen Religion anprangerten und sich dazu umso mehr befugt fühlten, als der Ausgangspunkt der christlichen Religion nicht ein neu entworfenes religiöses System war (ein solches System wurde erst später und im Laufe der Jahrhunderte ausgearbeitet und ausgebaut), sondern die Kritik an einer bereits bestehenden Religion, welche den Menschen und seine Bedürfnisse zugunsten bestimmter religiösen Auffassungen und Handlungen vernachlässigt hatte.

Gewiss war Luthers Handlung mutig; gewiss entsprang sie aus dem Herzen eines Menschen, der nicht danach strebte, sich ein Renommee zu schaffen, sondern sich während Jahren zutiefst mit religiösen Fragen auseinandergesetzt hatte, und dabei oft, wie noch viele andere Zeitgenossen, in Verzweiflung geriet und den aufrichtigen Wunsch hegte, seinen Mitmenschen behilflich zu sein, diesen wieder zu einer inneren Hoffnung zu verhelfen.
Denn vergessen wir es nicht: In der damaligen christlichen Welt war alles käuflich!

– Die Zeremonie der Taufe, dank der dem neugeborenen Kind ein guter Start ins Leben garantiert werden sollte, weil ihm dadurch die Möglichkeit eines ewigen Lebens zuteilwurde;

– Die an Gott gerichteten Bitten zugunsten vorteilhafter Lebensumstände. Um diesen Gebeten den Erfolg zu gewährleisten, musste man selbstverständlich etwas bezahlen, egal, ob man diese Bitten selbst ausrichtete oder (was damals als sicherer galt) von gottgeweihten Menschen, wie Mönche oder Priester, vorbringen ließ;

– Käuflich war auch die letztmögliche Inszenierung der eigenen Person beim Abgang aus dieser Welt, dank einer gebührenden Zeremonie;

– sowie auch ein angenehmes Fortleben im Jenseits, auf das man noch weniger als heute bereit war zu verzichten (weil man, viel mehr als heute, danach strebte; viel mehr als heute daran glaubte). Man hoffte, etwas dazu beitragen zu können, indem man mit einer entsprechenden Bezahlung dafür sorgte, dass nach dem eigenen Ableben oder nach dem Tod eines Nahestehenden Menschen Geistliche während Jahren, während Jahrzehnten oder gar bis zum Weltende Messen feiern und Gebete sagen würden. Solche Verträge machten Sinn, weil man im Laufe des Mittelalters zur hoffnungsvollen Überzeugung gelangte, dass es doch möglich sein müsste, noch im Jenseits die Versäumnisse seines irdischen Daseins nachzuholen, und demzufolge die Existenz eines Übergangsortes zwischen Hölle und Himmel, zwischen ewigem Verderben und ewiger Erlösung, postulierte – ein Übergangsort, den man Purgatorium oder Fegefeuer nannte. Und dank des Kaufs von Ablassbriefen wurde es damals möglich, die Länge des Aufenthalts im Fegefeuer zu verkürzen, ja sogar (zumindest behaupteten dies einige) die Seele nicht nur aus dem Fegefeuer, sondern auch aus der Hölle selbst zu erretten!

Für all die genügend Geld hatten und nicht geneigt waren, über ihren baldigen Tod und über den Sinn ihres Lebens nachzudenken, waren solche Vorkehrungen natürlich recht praktisch. War man aber gezwungen, für die Versorgung im Alltag zu kämpfen, so schmerzten solche Ausgaben umso mehr, als man dabei nie wirklich sicher war, ob solche Vorkehrungen tatsächlich funktionieren würden, egal wie viel man dafür bereits gespendet hatte. Grund, daran zu zweifeln, gaben die Geistlichen selbst, die das Geld einkassierten und die nur zu oft nicht beispielhaft und im Einklang mit der von ihnen gepredigten Lehre lebten; was wiederum einen großen Teil der Bevölkerung zu einer antiklerikalen Gesinnung brachte.

Doch sind die damaligen Missstände nicht allein den Klerikern zuschreiben. Die von den Geistlichen gemachten Versprechen und angebotenen Dienstleistungen entsprachen ebenfalls den Erwartungen der Bevölkerung. Zudem wurden sogar die Geistlichen selbst Opfer des von ihnen initiierten Systems. Um sich eine bequeme Existenz zu sichern, mussten sie jedes Amt in der Kirche erkaufen, ja sogar den Eintritt ins Kloster. Je größer das damit verbundene Einkommen, je größer die dafür aufzubringende Geldsumme!

Unter den Gelehrten, welche aber nur einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung ausmachten, gab es noch größeren Grund zum Zweifel und zur Unzufriedenheit, zumal diese wussten, dass diese lukrativen Praktiken nicht wirklich auf der offiziellen Lehre der Kirche fußten und trotzdem von den Geistlichen (vom einfachen Mönch bis hin zum Papst) betrieben wurden, weil sie deren Interessen dienten und der Mensch, genauso wie heute, nicht gerade bereit war, sein eigenes Interesse dem Allgemeinwohl seiner Gesellschaft unterzuordnen.

Luther war längst nicht der Einzige, der diese Missstände anprangerte. Seine Thesen waren also diesbezüglich nichts Besonderes. Die Diskrepanz zwischen der schriftlich anerkannten offiziellen Lehre der Kirche und die alltäglichen religiösen Diskurse und Praktiken hatte er nicht als Erster thematisiert. Er war auch nicht der Erste, der angesichts der damaligen Kirche in Verzweiflung geriet, Hoffnung suchte und sich nach Besserung sehnte. Noch weniger waren er und seine Thesen verantwortlich für die antiklerikale Stimmung der Bevölkerung. Diese gab es schon mindestens seit dem 15. Jh., wenn nicht schon viel früher.

Hier einige Texte, die dies gut belegen. Der Erste stammt aus einer schon damals sehr bekannt gewordenen Schrift: Das Narrenschiff des Straßburgers Sebastian Brandt. Das Büchlein erschien zum ersten Mal 1494 (also 20 Jahre vor Luthers Thesen) und wurde daraufhin unzählige Male nachgedruckt. Der Auszug zeigt, dass man schon damals genau wusste, dass es wohl nicht genügen würde, Geld für sein Heil auszugeben, sondern es zudem auch noch erforderlich sein müsste, sein Leben zu verbessern.

Wer Cras Cras [vom Lat.: morgen, morgen] singt, genauso wie ein Rabe,

Der bleibt ein Narr bis in sein Grabe.

Morgen wird ihm noch eine größere Narrenkappe zuteile.

Durch das ständige Vertagen

Erweist er sich als Narr; dem wolle Gott die Kraft verleihen,

Sich noch heute zu verbessern,

Von seinen Sünden abzustehen,

Und ein besseres Leben anzufangen.

Der Niederländer Erasmus von Rotterdam, den viele heute nur namentlich kennen, jedoch leider kaum gelesen haben, veröffentlichte 1503 ein Handbüchlein eines Christlichen Streiters, in dem er Folgendes schrieb:

Wahrhaft, ich schäme mich, ein Christ zu sein, da die meisten Christen wie das stumme Vieh ihren eigenen Trieben dienen, und so wenige im christlichen Kampf geübt sind, dass sie nicht einmal fähig sind, den Unterschied zwischen Vernunft und Verwirrung zu begreifen. Sie glauben, dass der Mensch nur aus dem, was sie sehen und spüren können, bestünde. Ja sie meinen, es gäbe nur das, was sie mit ihren Sinnen feststellen können, wo doch nichts weniger zutrifft! Ferner halten sie alles für richtig, wonach sie begehren (S. 125).

Zudem aber war Erasmus auch der Meinung, und dies schon vor Luther (und dabei war er weder der Erste noch der Einzige), dass der Mensch ein noch so gutes Leben führen kann und doch nie seine Erlösung verdienen könnte. Für ihn stand fest, dass der sich Mühe gebende Mensch stets auf Gottes Gnade und auf die von diesem erwirkte Erlösung angewiesen war.

Zurück zu unserem Anliegen. Wieso kam es denn erst allmählich nach 1517 zum Phänomen der sogenannten „Reformation“ und der damit verbundenen Kirchenspaltung?

Bestimmt brauchte es viele Menschen (und nicht lediglich Luther – und längst nicht allein unter den Laien, sondern auch unter den Geistlichen), die an zahlreichen Orten der damaligen christlichen Welt es nicht nur wagten, das mangelhafte Leben der Geistlichkeit anzuprangern, sondern auch die Widersprüche aufzuzeigen, die sie zwischen der Religion ihrer Zeit und der aus den frühchristlichen Quellen abzuleitenden Religion beobachteten. Bestimmt brauchte es viele mutige und von einem Ideal beseelte Menschen, die bereit waren, auf die ihnen bis dahin garantierten Vorteile zu verzichten, ja sogar für ihre neuen Erkenntnisse zu sterben.

Doch möchte ich hier behaupten, dass diese mutigen Menschen kaum mehr als einige Reformmaßnahmen hätten bewirken können, Maßnahmen, die bald wieder vom System erstickt worden wären.

Warum kam es also dennoch zur sogenannten Reformation? Es kam dazu, weil es in der westlichen Welt gesellschaftliche Schichten gab, die in der Kritik der damaligen Religion und in den damit verbundenen Erwartungen die Möglichkeit erkannten, ihren Einfluss, ihre Macht und ihren Reichtum zu mehren (was allerdings nicht ausschließt, dass diese Kreise zudem aus echter religiöser Überzeugung gehandelt haben könnten). Die weltlichen Behörden hatten genug davon, immer wieder mit einem Staat im Staat konfrontiert zu sein – mit einem kirchlichen Staat, der die Geistlichen vor zivilen Verfahren und Bestrafung schützte. In den bürgerlichen Städten hatte man genug davon, mitansehen zu müssen, wie Töchter aus gutem Hause von Geistlichen geschwängert wurden, ohne dass Letztere von der Zivilinstanz bestraft noch zur Übernahme der damit verbundenen Verantwortung verpflichtet werden konnten. Man hatte genug davon, zuschauen zu müssen, wie das Geld der Untertanen innerhalb des eigenen Machtreviers die unantastbare christliche Kirche stets reicher machte, und es demzufolge immer schwieriger wurde, mit ihr Schritt halten zu können. Man hatte genug von den vielen Italienern, die nördlich der Alpen das Sagen in der Kirche hatten, oft die einheimische Bevölkerung verachteten oder übergingen und einen nicht geringen Teil des eingesammelten Geldes nach Italien, besonders nach Rom übermittelten, wo schon seit einigen Jahren der Papst den Anspruch hegte, Kriege führen zu dürfen, und wo seit 1506 die größte Basilika der Welt im Bau stand.

Außerdem erkannten diese regierenden Schichten – seien es Fürsten, Landesherren oder städtische Behörden – in der antiklerikalen Stimmung eines Teils ihrer Bevölkerung die Möglichkeit, unter dem Vorwand einer besseren und gerechteren Bewirtschaftung sich die Kirchengüter anzueignen und ihre Kassen wieder zu füllen.

Die Reformation wurde also nur durch eine politische Rückendeckung möglich. Diese Erkenntnis gestattet uns allerdings nicht, die religiöse Komponente der Reformation zu verkennen. Es gab nun wirklich eine religiöse Komponente. Sie konnte sich an verschiedenen Orten des Reichs je nach der theologischen Auffassung des dort wirkenden Reformators mit unterschiedlichen religiösen Ansichten und Bräuchen durchsetzen oder zumindest, um es genauer zu sagen, zum Teil durchsetzen, da die religiösen Ansprüche und Anschauungen dieser Reformatoren stets von den politischen Behörden beeinflusst, ja zum Teil gedämpft wurden. Deshalb ist der für das Wort „Reformation“ gebrauchte Singular irreführend, denn er erweckt den falschen Eindruck, dass der „Reformation“ eine einheitliche Lehre zugrunde liegt.

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Damit sind wir zu unserem zweiten Punkt gelangt. Mit der Reformation sind ganz unterschiedliche, manchmal sogar widersprüchliche Lehrsätze, Kirchenkonzepte und Rituale entstanden. Es wird allerdings behauptet, dass alle Reformbewegungen zwei Grundprinzipien gemeinsam hätten, nämlich:

Zum Ersten: Das Prinzip „sola scriptura“, laut dem die sogenannte „Heilige Schrift“ die einzig autorisierte Quelle darstellt, aus der die christliche Lehre, Religiosität und Ethik abzuleiten seien.

Zum Zweiten: Das Prinzip „Sola fide“, oder auch die „Erlösung allein durch den Glauben“, in dem allerdings der Glaube nicht als menschliche Errungenschaft, sondern ausschließlich als Gabe Gottes angesehen wurde.

Stimmt es nun wirklich, dass diese zwei Prinzipien für alle Protestanten gültig waren? Die Antwort ist Nein. Denn geht man der Sache nach, stellt man bald fest, dass die Reformatoren unter diesen angeblich gemeinsamen Prinzipien gar nicht das Gleiche meinten!

Wenn Luther in seiner Auseinandersetzung mit der römischen Kirche „Die Schrift allein“ betonte, meinte er „Der Glaube allein“ oder „Sola fides“. Letzteres Prinzip führte ihn sogar dazu, die Bücher innerhalb der sogenannten „Heiligen Schrift“ unterschiedlich zu bewerten und gegebenenfalls einige Aussagen der Schrift für falsch zu erklären. Dazu kommt auch die Beobachtung, dass Luther nicht bereit war, religiöse Lehrsätze oder Praktiken nur deshalb abzuschaffen, weil sie nicht in der Schrift aufzufinden waren. Seiner Ansicht nach waren sie nur dann abzuschaffen, wenn sie gegen das Prinzip vom „Glauben allein“ verstießen, d.h. wenn sie voraussetzten, dass der Mensch einen Beitrag zum eigenen Heil leisten konnte bzw. leisten musste.

Erasmus, der der Reformation nicht beitreten wollte, konnte noch weniger als Luther das Prinzip von der „Schrift allein“ anerkennen. Er betonte vielmehr, dass es unmöglich sei, eine 1‘500 Jahre alte Religion, die sich im Laufe der Zeit unvermeidbar entwickeln musste, wieder in die Kinderwiege hineinzuzwängen. Doch war er zugleich der Meinung, dass längst nicht alle Entwicklungen im Christentum gut waren. Wie Luther wandte er ein Prinzip an, um eine Beurteilung zu ermöglichen, und zwar das Prinzip „Sola gratia“ (das „Heil durch die Gnade allein“), das keineswegs mit dem von ihm abgelehnten Prinzip „Durch den Glauben allein“ gleichzustellen ist. Mit Luthers Prinzip konnte er nichts anfangen. Er erklärte es sogar als gefährlich. Denn er war überzeugt, dass das Prinzip vom „Glauben allein“ die Menschen dazu veranlassen würde zu denken, dass es genüge, an Gott und an seine Gnade zu glauben, um erlöst zu sein; dass der Mensch dadurch jegliche Motivation, ein besseres Leben zu führen, verlieren und sich zu einem Fatalisten entwickeln würde, zumal ihm ja der Glaube nur durch Gott zuteilwerden konnte. Erasmus war sich bewusst, dass mit dem Prinzip „durch den Glauben allein“ die Erlösung eine Angelegenheit wird, auf die der Mensch nicht den geringsten Einfluss nehmen kann. Deshalb hielten Erasmus und viele andere Theologen am Prinzip des freien Willens im Menschen fest: Der Mensch muss doch fähig sein, sich für oder gegen Gott, für oder gegen seine Erlösung zu entscheiden. Anders gesagt: Das Heil kann doch nicht über den Kopf des Menschen hinweg entschieden werden! Gleichzeitig gilt aber auch für Erasmus das Prinzip von der „Gnade allein“. Seine Haltung kann man wie folgt zusammenfassen: Ohne Arbeit an sich selbst kann man nicht erlöst werden. Doch nie könnten derartige Bemühungen die Erlösung verdienen. Der Mensch ist stets auf Gottes Gnade angewiesen.

Und wie stand es nun mit den Zwinglianern und den Calvinisten, aus denen die sogenannte „reformierte Kirche“ entstand? Zwingli und Calvin betonten ganz wie Luther das Prinzip vom „Glauben allein“, doch gleichzeitig standen sie den von Erasmus erhobenen Einwänden nicht gleichgültig gegenüber. Da sie viel mehr als Luther im Humanismus verwurzelt waren, teilten sie mit Erasmus die Überzeugung, dass die Religion zur Besserung des Menschen in der Gesellschaft führen sollte. So entstand in den von Zwingli und Calvin hervorgerufenen Reformen eine ständige Spannung: Zum einen hielten diese Reformatoren daran fest, dass der Glaube eine Gabe Gottes sei, dass der Mensch sich niemals von selbst dafür entscheiden könne. Sie glaubten aber zugleich, dass der von Gott geschenkte Glaube zwingend eine Besserung im Menschen auslösen würde; dass aber der Mensch mit den dadurch entstandenen guten Taten seine Erlösung nicht selbst verdienen könne, zumal die Erlösung, wie schon in Luthers Auffassung, gänzlich vom Menschen, von dessen Willen und Wirken, unabhängig sei. Anders aber als Luther teilten Zwingli und Calvin die Sorge, dass es dort, wo Gottes Kirche anzutreffen ist, zu einer besseren Gesellschaft kommen müsse.

Was geschieht aber mit den Menschen, denen Gott keinen Glauben geschenkt hat? Als Teil der christlichen Gesellschaft sollten auch jene zu einem anständigen Leben gezwungen werden, zumal dies ihnen nicht schaden kann und sie sonst Gottes Zorn auf die Gesellschaft, in der sie leben, heraufbeschwören würden.

Und wie soll man denn ALLEN ein anständiges Leben aufzwingen? Zwingli und Calvin beantworten diese Frage unterschiedlich. Für Zwingli soll der christliche Staat dafür sorgen. Für Calvin genügt das nicht; auch die Kirche muss dafür sorgen, zumal nicht alles, was von der christlichen Lehre her strafbar ist, vom Zivilgesetz als strafbar betrachtet wird (man spürt hier den Einfluss der juristischen Ausbildung Calvins).

Und bei der Frage nach den Grundlagen, nach denen die Kirche sich zu richten hat, lautet sowohl bei Zwingli als auch bei Calvin die Antwort „Die Schrift allein“, doch diesmal nicht wie bei Luther nur im Sinne von „Der Glaube allein“, sondern wortwörtlich „Die Schrift allein“!

Demzufolge glaubten Zwingli und Calvin, dass die Kirche auf jede religiöse Praktik und Lehre, die nicht in der Schrift bezeugt ist, zu verzichten hätte! Deshalb mussten die Bilder, die Skulpturen, ja sogar die Fenster mit Glasmalereien, und manchmal auch die Orgeln aus den Kirchgebäuden weichen.

Und trotz all ihrer Bemühungen blieben auch Calvin und Zwingli inkonsequent bei der Umsetzung des Prinzips „Die Schrift allein“! Denn wie hätten sie allein anhand der Schrift die Lehre der Dreieinigkeit beweisen können? Es bedurfte dafür mindestens der Beschlüsse der drei ersten sogenannten Ökumenischen Konzile, die Calvin erst nach vielen Jahren des Widerstandes anerkennen musste… Wie konnten Zwingli oder Calvin anhand der Schrift allein die Rechtmäßigkeit der Kindertaufe oder des sonntäglichen Ruhetags beweisen? Sie bemühten sich so gut wie möglich, indem sie im Neuen Testament nach allen möglichen Hinweisen dafür suchten. Doch gelang es ihnen nicht wirklich, alle davon zu überzeugen.

Und so entstanden Antitrinitarier, Täufer, Sabbatisten, Revolutionäre aller Arten, die sich hauptsächlich auf das Alte Testament bezogen.

Kein Wunder, dass vor diesem uneinheitlichen Spektakel damals schon einige Menschen so weit gingen, dass sie das Prinzip „sola scriptura“ in Frage stellten, auch wenn sie keineswegs bereit waren, die jahrhundertealte römische Kirche als Gottes Kirche zu anerkennen. Diese Menschen wurden als Spiritualisten bezeichnet. Sie betonten mehr als die übrigen Reformatoren, dass Gottes Wort nicht nur in der Bibel zu finden sei; ja sie waren sogar der Meinung, dass in der Bibel Gottes Wort mit menschlichen Gedanken durchmischt sei, und widersetzten sich deshalb dem Prinzip, laut dem schwierige (d.h. unpassende) Bibelstellen durch andere Bibelstellen zu erklären seien. Weil sie sich mehr als sonst üblich bewusst waren, dass Gottes Kirche nicht sichtbar und fassbar ist, spielten sie die Funktion der äußeren Kirche in der Gesellschaft und für den Glaubenden herunter. Und da sie dadurch noch individualistischer als die anderen Theologen ausgerichtet waren, gelangten auch sie zu keiner einheitlichen Lehre.

Im Laufe des 20. Jh.s wurden all diese Bewegungen, denen keine dauerhafte politische Rückendeckung zuteilwurde, unter dem Begriff „Linker Flügel der Reformation“ untergebracht.

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass nur schon anhand dieser meiner summarischen Darstellung deutlich wird, wie falsch die Behauptung ist, dass innerhalb der Reformationsbewegungen der größte Lehrunterschied auf die Abendmahlslehre zu begrenzen sei! Ich könnte belegen, dass die Divergenzen in der Abendmahlsauffassung nur der sichtbare Teil eines riesigen Eisbergs von entscheidenden, grundsätzlichen Unterschieden darstellt, dass es also gar nicht so absurd war, wie es uns heute erscheinen mag, dass die Protestanten des 16. Jh.s sich wegen des Abendmahls so erbitternd gegenseitig bekämpften und hassten.

Es kann also nicht allein der „Wahrheit“ einer Lehre zu verdanken sein, dass es zur Reformation gekommen ist – was wiederum die Relevanz der im ersten Teil meines Vortrages entwickelten These untermauert.

Auch könnte ich genauso belegen, dass der Verbleib in der römischen Kirche keineswegs einheitlich zu bewerten ist. In diesem Fall haben auch längst nicht nur theologische und religiöse Gründe mitgespielt, sondern auch ökonomische, politische und psychologische Faktoren.

(Will dies heißen, dass die Reformation unnötig war? Keineswegs! Sie entsprach den damaligen Bedürfnissen und neuen Wahrnehmungen vieler Personen und Gesellschaften. Sie beeinflusste sogar (wenn auch nicht immer auf positive Weise) die Lehre und das Leben der römischen Kirche!

Trotz allem kann die Reformation nicht nur als ein positives Phänomen beurteilt werden und noch weniger mit einer angeblich absoluten Wahrheit in Verbindung gebracht werden (wie es die Reformatoren taten). Schließlich kann man die Reformation weder als endgültigen Erfolg, noch als abgeschlossenen Prozess betrachten. Durch sie entstanden viele ungeplante, ja sogar von ihr völlig unerwünschte Auswirkungen, die z.T. die in der heutigen christlichen Welt beobachtete Gleichgültigkeit der Religion gegenüber indirekt ausgelöst haben.

Ich möchte wie folgt schließen:

Die menschlichen Gesellschaften arbeiten eine zu ihnen passende Religion aus und nicht umgekehrt. Es wäre an der Zeit, dass der Mensch der heutigen westlichen Welt sich erneut seiner spirituellen Dimension bewusst wird, sich ernsthaft darum kümmert und den engen Zusammenhang seiner inneren Einstellung und seines äußeren Daseins erkennt. Es wäre an der Zeit, mit Hilfe der im Christentum während zwei Jahrtausenden gesammelten Erfahrungen, wie auch mit Hilfe der aus den Wissenschaften neu gewonnenen Erkenntnisse eine erneuerte Religion und Religiosität auszuarbeiten, wenn wir nicht einfach gedankenlos unser eigenes Ende heraufbeschwören wollen. Eine Reformation des Christentums genügt nämlich nicht mehr. Es bedarf einer Erneuerung, die eine genauso große Umwälzung voraussetzen würde wie diejenige, zu der es vor 2000 Jahren im Judentum kam.

Die Reformation entstand im 16. Jh., weil die Diskrepanzen zwischen der ausgeübten Religion samt deren Diskurs einerseits und den gesellschaftlichen Bedürfnissen, Ansprüchen und neuerworbenen Erkenntnissen anderseits, zu groß und unerträglich wurden. Das Gleiche trifft auch heute zu! Die Diskrepanz, die man zwischen den heutigen Erkenntnissen und Bedürfnissen einerseits und dem in der Kirche gehaltenen üblichen Diskurs andererseits beobachtet, ist einfach zu krass und hält viele Menschen, die sonst nicht abgeneigt wären, ihre Spiritualität auf dynamische Weise, d.h. zusammen mit anderen, zu entwickeln, von der heutigen Kirche fern.

Wird nun das Abendland einfach abwarten und ohnmächtig zuschauen, wie seine religiöse Tradition zu Grunde geht? Ich hoffe es nicht! Zumal das Christentum ein sehr gutes Potential hätte, sich selbst in Frage zu stellen und aufgrund der während zwei Jahrtausenden gesammelten Erfahrungen sich neu zu erfinden, weil es nämlich (vergessen wir es doch nicht!) durch die Kritik an einer schon bestehenden Religion entstanden ist.

Ansätze zu einer neuen Religiosität und erneuerten Religion

 

1) Die Bereitschaft, endlich auf jegliche Gottesauffassung zu verzichten, in der Gott als zuständig für all jenes dargestellt wird, das wir auf völlig egoistische Weise als „günstig oder gut für uns“ betrachten!

2) Die Bereitschaft, unsere Auffassung vom Guten und Bösen zu hinterfragen.

3) Die Bereitschaft, auf jegliche Rede über Gott zu verzichten, weil Gott nicht Objekt unseres Wissens sein kann und es an der Zeit wäre, sich weniger kategorisch über das, was wir nicht wissen, zu äußern.

4) Die Bereitschaft, endlich zu lernen, auf reife und positive Weise mit Fragen umzugehen, auf die wir keine Antwort wissen.

5) Die Bereitschaft, unsere Religion und Spiritualität nicht mehr allein auf der Basis einer abgeschlossenen, angeblich maßgebenden Textsammlung auszuarbeiten bzw. zu entwickeln.

6) Die Bereitschaft, unsere Spiritualität in unserem alltäglichen Leben zugunsten der Mitmenschen einzusetzen, zumal davon, heute mehr als je zuvor, nun tatsächlich die Zukunft der Menschheit abhängt.

D.I.V. – Total spannend, überzeugend. Danke, dass ich deine Überlegungen veröffentlichen kann, darf, soll. Und nun, lieber Leser, handeln sie danach, reformieren sie erneut. Sie können jetzt auch die Musik wieder einstellen. Zu einem Satzteil von D.I.V. «… und manchmal auch die Orgeln aus den Kirchgebäuden weichen.» versuche ich noch eine «Tonkonserve» aufzutreiben. Köstliche Orgelmusik. Exodus! Spätestens jetzt müssten sie begreifen, weshalb ich nicht Theologie studiert habe. Hebräisch, Griechisch und Lateinisch, das ist mir zu viel. Aber das lateinische  Exodus ist genauso eine Wortklauberei, wie der  grieschische  Begriff Exodos für den Besuch einer Bar, eines Nachtclubs. DIV ist die römische Zahl für 2021 – 1517 = 504 und für die Franzosen bedeutet es wieder etwas anderes. Ein Fahrzeug dessen ehemalige Produktionsgegend wir am Tag nach dem Konzert durchquerten. Zufall? Nein, den gibt es nicht. Eher saubere Analyse und Beachtung der Mitwelt.

11 thoughts on “Gedanken zu einer möglichen neuen Religion”

  1. Lieber Herbie – Mit klarer Sicht! Heute habt ihr vermutlich auch in euren katholischen Bergen Nebel, Hochnebel vielleicht sogar. Der verschleiert den Blick. Lies doch mal die Einleitung, wer geschrieben hat. Das war nicht ich. Diejenige Person, die geschrieben hat, wird jetzt schmunzeln, wenn ich dir empfehle, einfach die sechs letzten Punkte durchzulesen.

    1. Ich glaube nicht, dass ich eine Anleitung zum Lesen brauche! Ich habe alles gelesen und ich widerspreche auch nicht. Ich habe lediglich meine Sicht der Dinge dargelegt. Soweit es Deckungsgleich ist, hat es mit Zufall zu tun. Meine Meinung darüber hat sich nicht erst jetzt, nachdem ich von D.I.V. gelesen habe, entwickelt.
      Um Missverständnisse auszuräumen, habe ich eine Präzisierung eingefügt => Nachtrag
      Schmunzeln ist stets gestattet, auuser es entstünde aus Häme

  2. Hörbie, wenn alle immer nur über das geschrieben und gesprochen hätten, was sie wissen und nie über das, was wir glauben, wären wir noch nicht einmal im Mittelalter angelangt.

    Wie die Entwicklungsgeschichte gelaufen ist, kann ich nicht so genau überprüfen, da verlasse ich mich lieber auf das, was mein Namensvetter Hewking schreibt. Alles scheint etwas relativ und krumm zu sein. Beim «https://finanzblog.ch/2019/11/du-bist-kein-neandertaler-du-bist-ein-guggenmosi/ bist du auch näher dran. Wir könnten mal dorthin gehen … in die hohen Wälder, hätte ja noch einige Pflanzenbücher.

    «Finanzblogger Marti schreibt in seinem Beitrag …» es sind einige wenige, die wissen, wer den Beitrag geschrieben hat. Aber eben, lesen und begreifen ist nicht immer das gleiche. Es ist ein «Gastbeitrag».

    1. Mag sein! Aber, man hat gelegentlich den Eindruck, dass es welche gibt, die noch auf den Bäumen zu leben glauben! 😉
      Wenn wir aus der Vergangenheit in die nähere Zukunft schauen, sind wir auch nicht absolut sicher, dass das Vermutete eintrifft! Wenn ich nach Basel fahre, interessessiert es mich bei der Abfahrt nicht, ob es dort beim ersten Signal «rot» ist. Dass ich aber vermutlich ziemlich exakt zur geplanten Zeit am vorgesehenen Ort ankomme, ist sehr wahrscheinlich. Die Menschen haben sich schon früh, als sie noch nicht um Nahrung kämpfen mussten, darauf spezialisiert, Konkurrenten auszumerzen. Sie haben auch verwandte Arten eliminiert. Zur Zeit sind sie daran, sich selbst zu eliminieren. Das wäre das Ende der (menschlichen)Entwicklung. Allein die Geschichte ginge weiter, bis die Sonne den Sauerstoff «abgesogen» hätte und schliesslich ihr Licht löscht. Auch dann geht die Geschichte weiter, denn die verbleibende Masse ist dann noch im All vorhanden… Das würde mit einem «Nanensvetter» und seinen Theorien auch nicht besser. Niemand ist wegen eines Namensvetters gescheiter. Würde so was jemand nur im Geheimsten denken, wäre er oder sie ein Narr oder eine «Närrin» (der Narr!)

  3. Wer aufhört, Fehler zu machen, lernt nichts mehr dazu.
    Theodor Fontane
    Nur weil man den gleichen Vornamen oder ein vermeintlich gleiches Aussehen hat, besteht noch lange keine Affinität zu irgend einer berühmten Person und eine Aufwertung der eigenen anzunehmen deswegen wäre ein Trugschluss. Stephen Hawking war ein excellenter Wissenschaftler. Seine Bücher, die er vor allem schrieb, um Geld einzutreiben sind so geschrieben, dass Normalgebildete wenigstens eine Ahnung davon haben, was er erforscht hat und zu welchen Erkkenntnissen er mit seinen Forschungsteams kam. Einige seiner Werke sind mir wohl bekannt. Wollte man aber mehr wissen, müsste man sich in seine wissenschaftlichen Abhandlungen vertiefen, was eine andere Wissensgrundlage verlangen würde! Nassim Nicholas Taleb, ein «(…) Essayist, Empiriker und nüchterner, mathematisch orientierter Trader)» schrieb über den «Schwarzen Schwan» oder über Probleme im Zusammenhang mit dem Zufall, der Unsicherheit, der Wahrscheinlichkeit usw. Er schrieb u.a. auch den Bestseller «Narren des Zufalls».
    Es geht mir beim Thema nicht um persönliche Empfindlich- und Eitelkeiten. Dafür ist es mir zu ernst! Astronauten, die in der ISS waren würden bestätigen, dass keine einzige wichtige Person auf Erden, aus dem Weltall zu erkennen ist! Die ganz Grossen, auch die ganz grossen Wichtigtuer werden mit zunehmender Distanz anonymisiert.
    Die Menge gelesener Bücher eines «gescheiten Hauses» sagt nichts darüber aus, was wer wie gut verstanden hat. Unsereiner kennt sich in der räumlichen Ecke aus. Es sind drei Dimensionen. Im technischen Bereich kann man dies gar graphisch darstellen. Kommt eine weitere dazu, wird es schwierig. Mathematisch bringt man es vielleicht noch hin, aber das Vorstellungsvermögen wird bereits arg strapaziert! Ich denke dabei an Länge, Breite und Höhe sowie an die Zeit. Sind wir uns doch einig, mit drei Dimensionen einigermassen im Griff, kommt man im Leben schon sehr weit! In der Administration, in der Führung und in der Organisation genügen zwei Dimensionen, denn alles wird auf genormtem Papier zweidimensional festgehalten, selbst die Organigramme sind zweidimensional dargestellt. In eher seltenen Fällen wird eine dritte Dimension angedeutet, etwa in der Matrixorganisation, die neben Höhe und Breite auch noch eine Tiefe bekommt. Um sich abzugrenzen verändern Tätigkeitsgattungen die Sprache. Es gibt somit Sprachen die nur Juristen, Ingenieure, Architekten, Innovatoren, Virtualisten oder Kirchenmänner verstehen. Einige sprechen lateinisch, andere Kauderwelsch oder gar Mattenenglisch.
    Ein einfaches Diagramm wird zu einem Chart, aus dem Zocken mit Geld wird der Turbokapitalismus dem es gelingt in Nanosekunden grosse Geldmengen zu verschieben und dabei stets den «Schaum» als Gewinn (zum Nachteil anderer oder den Spareren) abzuschöpfen.
    Oft werden gewisse Dinge aufgrund von Erfahrung und Beobachtung empirisch dargestellt. Die Richtigkeit wird also vermutet. Mittels exakter Beobachtung und Analysen mit wissenschaftlichen Methoden wird dann die theoretische Grundlage erarbeitet und die Methode gilt dann als anerkannt und zwar so lange, bis weitere Erkenntnisse eine neue Wahrheit definieren. Vermutetes wird nun als Wissen zugelassen, weil die Richtigkeit bewiesen ist. Mythen werden nie bewiesen.
    Nicht umsonst ringen Theologie und Philosophie seit jeher um Gottesbeweise! Die Philosophie hat sich ohne Gewinnabsicht der Wahrheit verpflichtet. Bringen neue Erkentnisse eine neue Wahrheit, gilt diese, bis sie abgeöst wird. Religionen sind im Gegensatz dazu Ideologien. Sie stellen sich wie z.B. die kath. Kirche in wichtigen Fragen als unfehlbar dar. Im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch haben sie bewiesen, dass sie ihre Machtpositionen für Lustgewinne stets auszunützen wussten. Und was das Macht- und Finanzimperium Vatikan alles anstellte, hat mehr Gemeinsamkeiten mit der Mafia als mit dem «lieben Gott»! Man erinnere sich an Papst Pius IX, der gar die Vatikanbibliothek einmauern liess, damit ja niemand seinen Lügen und Machenschaften auf die Spur kam. Selbst Stephen Hawking hat sich diesbezüglich klar ausgedrückt. Nun will ich mit meiner Sicht der Dinge niemandem sein Gottesbild zerstören. Es gibt Menschen, die damit gerade deswegen gut leben, weil sie hohen Ansprüchen genügen wollen um ihre Seligkeit nicht zu gefährden. Meine Sicht ist nicht massgebend für andere. Ich missioniere mit ihr nicht. Meine beschränkte Sicht entsteht aus einem Mittelpunkt in dem ich mich befinde. Es ist anzunehmen, dass es soviele Mittelpunkte gibt, wie es Menschen gibt. Alle haben sie eine eigene Sicht, selbst wenn sie Mitglied einer Sekte sind oder nachplappern, was ihnen ihr geistlicher «(Ver-) Führer in den Mund legt. Ich lehne mich nicht gegen kirchliche Aktivitäten aus, welche die Not Bedürftiger lindern. Deshalb bezahle ich auch die Kirchensteuer pünktlich. Und jene Gebäude die Stille spenden durch Steine, die der Steinmetz in sinnvoller Anordnung aufgeschichtet hat mag ich am besten, wenn ich ganz alleine darin für eine Weile verharren kann! Ich bitte dort nicht um Hilfe eines manipulierbaren Gottes. Ich versuche jedoch, meine Kräfte zu stärken, um Hindernisse zu erkennen und zu überwinden oder zu erkennen, dass sie unüberwindbar sind! Äsop: „Die Götter helfen denen, die sich selbst helfen.“
    «(…) Nach allem, was man heute weiss, kamen die missionierenden Religionen erst im im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung auf. Ihre Entstehung war eine bedeutensten Revolutionen der Geschichte und leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Vereinigung der Menschheit, genau wie die Imperien und das Geld.)» Q.: Harari in «Eine kurze Geschichte der Menschheit».
    Also: viel «Menschengemachtes»! Wir gehen nicht fehl, wenn die Moral als von den Mächtigen gemacht gilt. Wir gehen auch nicht fehl, wenn wir davon ausgehen, dass die Ethik einem dem normalen Menschen, der sich innerlich in Lot und Balance befindet, innewohnenden Gesetz «die Harmonie in uns «, folgt. In Lot und Balance befindet sich in idealer Weise ein Mensch dann, wenn seine Innenwelt mit seiner Aussenwelt, also zwei Realitäten miteinander harmonieren. Doch die zwei Schwungkräfte eiern immer auch. Es ist meine Aufgabe, dies so weit als möglich zu verhindern. Noch einmal: Für meine Rundsicht stehe ich in einem Zentrum. Daher gilt sie nur für mich. Sie darf jedoch, wenn verstanden, oder es einem danach ist, frei nachgeahmt werden.
    » Denn um klar zu sehen, genügt ein Wechsel der Blickrichtung.» Saint Ex.

    «Glaubt den Schriften nicht, glaubt den Lehrern nicht, glaubt auch mir nicht.
    Glaubt nur das, was ihr selbst sorgfältig geprüft und als euch selbst und zum Wohle dienend anerkannt habt.»
    Buddha
    Womit wir bei den Statistiken angelangt wären, denen nur zu glauben ist, wenn wir sie selbst gefälscht haben….. 😉

  4. Wow, vermutlich ist der Hörbi noch intelligenter, als Hewking. Was der so alles weiss … nur, mir ist es manchmal fast zu hoch und ich schlage bei dieser Rundumsicht oben an. Damit haben wir aber eine Art Kugel und können jetzt viel einfacher über die Zeit diskutieren … falls wir uns die nehmen.

  5. Bitte jetzt keine Bogendiskussion um alle 100 Ecken! Ob es eine neue Religion braucht war das Thema. Das Thema Zeit ist etwas anderes. Was die Zeit betrifft kann ich insofern mitreden, als mir zu wenig zur Verfügung steht erstens und dass mein verbleibender Zeitpfeil rasant an Länge verliert, zweitens. Keine Religion, auch eine neue, kann daran etwas ändern.
    Falls das Thema Zeit aufgegriffen werden sollte, stelle ich eine erste Frage: Wie lange dauert eigentlich die Gegenwart?

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