Als Grossratskandidat der FDP für den Kanton Bern darf ich heute die Ladenöffnungszeiten in Zentren des öffentlichen Verkehrs (ÖV) präsentieren. Weniger als ein Prozent der Menschen, die heute schon an Sonntagen arbeiten, werden betroffen sein – rund 2000 Personen.
Auf der andern Seite bin ich in Langenthal Präsident des Rates der reformierten Kirche. Und die Kirche ist geschlossen dagegen. Wer ist die Kirche oder l’église? Darüber haben wir schon oft diskutiert! Ein Gotteshaus – der Franzose benützt das treffende Wort «le temple» – die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Kantonsobrigkeit, die kantonale Kirche? Oder sind es gar die Mitglieder, die Steuerzahler? Davon haben wir in Langenthal, der Durchschnittsgemeinde der Schweiz, «Gott sei Dank» noch rund vier mal Personen, als von der Abstimmung betroffen sein werden. Ob die alle mit der eindeutigen Meinung der «Kirche» einverstanden sind, wage ich ernsthaft zu bezweifenl.
In dieser eingeklemmten Lage fühle ich mich gar nicht so unwohl, denn mein Beruf als Vermögensverwalter ist eigentlich nie so ganz eindeutig dafür oder eindeutig dagegen – man muss an der Börse abschätzen was die Zukunft, die Reaktion der Masse und der Menge bringen wird. Und wie beim Sandwich – das Beste ist das Eingeklemmte – der Schinken. Es ist immer nur eine Frage der Sichtweise.
meine Power-Point-Präsentation «Arbeitsgesetz»
Weitere Unterlagen und Links:
– Volksabstimmung
– Die Volkswirtschaft und weiteres vom SECO
– Presserohstoff
– die 25 grössten Bahnhöfe mit mehr als 20 Mio. Umsatz
– Schweizerische Evangelischer Kirchenbund SEK
– katholische Kirche
Es wird hier nicht über die Ladenöffnungszeiten abgestimmt, sondern über das Arbeitsgesetz. Das ist ein eklatanter Unterschied. Auch wenn SFDRS und sämtliche Arbeitgeber dies absichtlich und dauernd vermischen…
Hallo Sandro
du hast vollkommen recht, im Gesetzes-Text steht: «…. dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am sonntags beschäftigt werden.»
Das bedeutet nichts anders, als dass ein Betrieb sonntags auch geöffnet haben kann, ohne Mitarbeiter zu beschäftigen
oder
was auch denkbar ist, dass man Personen beschäftigt, aber den Laden gar nicht geöffnet hat.
Und den Text über die Ladenöffnungszeiten habe ich von der FDP übernommen – und vor einer Stunde einen neuen Hintergrund für meine Präsentation erhalten. Jeder geht neue Wege. Jetzt!
Das ArG befindet sich in obenstehender Url – bis auf Art. 27 Abs. 1ter – um den geht es.
Ich verstehe eigentlich nicht, warum die Kirche meint, unbedingt Stellung nehmen zu müssen. Es wird ja niemand gezwungen, sonntags einkaufen zu gehen oder in einem Bahnhofsladen arbeiten zu gehen. Aber eine Kirche, die mir als mündigem Bürger verbieten will, sonntags im Bahnhof ein Paar Socken einkaufen zu gehen, will mir einen Lebensstil aufzwingen – unabhängig davon, ob ich der Kirche angehöre oder nicht. Und das ist in meine Augen fundamentalistisch.
Mich stört nicht, wenn der Pfarrer predigt, dass man den Sonntag heilig halten soll und nicht arbeiten soll, oder wenn der Kirchgemeindepräsident im Bahnhof sonntags nicht einkaufen geht, es stört mich auch nicht, wenn die Kirche sich in der Asylgesetzrevision einmischt, da hier Leute von der Politik betroffen Dagegen ärgert es mich, wenn die Kirche sich in die Politik einmischt, wenn sie sachlich eigentlich schweigen sollte (Stichwort Steuerinitiative oder eben Sonntagsarbeit in Bahnhöfen).
zum glück nimmt die kirche endlich wieder stellung!
der markt KANN und DARF nich alles einfach regeln. es gibt auch noch wichtigere werte, als am sonntag alles und jedes einzukaufen. es ist ja praktisch alles verfügbar und das wo nicht verfügbar ist, kann mensch doch am samstag besorgen oder was?
liebe kirche (wir menschen sind kirche) misch dich unbedingt in die politik und den markt ein. danke! das ist nix fundamentalistisch!
Die letzten beiden Kommentare zeigen etwas ganz deutlich: jeder hat seine eigene Meinung und diese zählt – nur diese.
Gestern Abernd hatten wir nach meinen Erläuterungen in der FDP Oberaargau die Parole gefasst: einstimmung «JA», keine Enthaltungen. Unter den Anwesenden befanden sich nicht nur Personen aus der Exekutive, es gab auch Anwesende aus der Legislative, die bei uns ein Amt bekleiden, sowie zahlreiche andere Personen, die ich auch schon in der Kirche angetroffen habe.
Der Freisinn ist eben «liberal» und geht «NEUE WEGE. JETZT»
Die Kirche hat auch liberale Anhänger, ob reformiert, römisch oder christ- katholisch, rumänisch orthodox, Islam, Sikhs, Methodisten oder Aleviten – Vertreter dieser Religionsgemeinschaften haben an der zweiten Kappeler Milchsuppe referiert. Bei «libref.» können einige dieser Referate nachgelesen werden. Wir versuchen auch, die andern noch aufzutreiben.
Herr Kilchenmann ist ganz schön weit weg von der Realität, wenn er denkt, dass die Verkäuferinnen in den Bahnhofsgeschäften «nicht dazu gezwungen werden». Natürlich könnten sie auch stempeln gehen, oder ihren Kindern nix zu essen geben.
Die Niedriglohnjobs in den Bahnhöfen werden doch meist von wenig ausgebildetem Personal ausgeführt, dass sich die Jobs nicht von Headhuntern nachschmeissen lassen kann. Die leute sind angewiesen auf ihre Arbeit und wenn der Chef sagt, «du arbeitest ab dem 27. November zum selben Lohn auch am Sonntag», können die nichts anderes als mit dem Kopf nicken oder den Job verlieren. (Und ihre Kinder auch am Sonntag vernachlässigen)
Ich kenne Tankstellenmitarbeiterinnen, welche für 2500.- (100%) auch Sonntags arbeiten. Und aus Angst vor Konsequenzen/Repressionen sich nicht mal getrauen in eine Gewerkschaft einzutreten. Erklären Sie diesen Menschen mal den Vorteil von «Shopping wird immer mehr zum Hobby, das soll man doch auch Sonntags machen können…»
@Stephan Marti-Landolt: Offenbar ist der Spagat gelungen! Wenn sich die FDP nicht einmal für eine derart bescheide liberalisierung hätte durchringen könne, hätte ich die Parteienwelt nun definitiv nicht mehr verstanden.
@Sandro: Ich frage mich, wer weiter von der Realität weg ist. Ich glaube, die einzigen Leute, die nie am Sonntag arbeiten, sind die Gewerkschaftsfunktionäre. Im übrigen ist Sonntagsarbeit bei vielen Leuten beliebt, z.B. weil sie besser bezahlt ist oder weil sie mit einem Studium kombiniert werden kann. Es soll auch Leute geben, die sich am Sonntag langweilen, z.B. weil sie keine Familie haben, und die es vorziehen, unter der Woche einen freien Tag zu haben, wenn mehr läuft. Ein Migros-Personalchef sagte mal, das Hauptproblem bestehe darin, dass alle am Sonntag arbeiten möchten.
Wenn die Leute wirklich, wie Sandro meint, derart auf ihren Job im Bahnhof angewesen sind, weil sie sonst nichts was anderes finden könnten (was ich allerdings bestreite), dann sollte man sich doch umso stärker für die Änderung des Arbeitsgesetzes einsetzen, oder sollen denn die Leute stempeln gehen?
@rasum
Die Umfragen, welche ich in dem Zusammenhang gesehen habe, (bei welcher Verkäuferinnen, nicht Akademiker befragt wurden) ist für die Initiative vernichtend ausgefallen. Wer eine Familie hat, bei welcher die Kinder am Sonntag frei haben, der geht nicht gerne am Sonntag arbeiten, das sollte eigentlich allen einleuchten.
Und dein Argument, dass man am Sonntag mehr verdient ist ein Schuss in den Fuss. Genau das soll ja mit diesem neuen Gesetz aufgehoben werden… Da finden es plötzlich nicht mal mehr die Studenten lustig.
Und ich habe übrigens selber lange Zeit am Sonntag gearbeitet, und das auch wegen den Zulagen. Diese waren jedoch nichtmal versicherbar und sollen nun ganz abgeschafft werden. In dieser Zeit hatte ich übrigens grösste Mühe soziale Kontatke zu behalten. Da ist halt nichts mehr mit Vereinen oder Skiweekends weil man ja nie mehr zusammen Frei hat. Mir gefällt die Struktur mit dem Arbeitsfreien Sonntag. Und die Schaffung von Arbeitsplätzen halte ich für ein Witzargument. Woher soll denn der zusätzliche Umsatz kommen? Haben die leute plötzlich am Sonntag mehr Geld in den Taschen, welches sie heute im Sack behalten?
Ich hoffe einfach, du denkst bei deinem sonntäglichen Freizeitverhalten auch an die 330’000 Personen, die schon jetzt Sonntagsarbeit verrichten. Auf Tätigkeiten wie Kino, Theater, Restaurantbesuche oder Ausflüge mit dem ÖV kann man schliesslich am Sonntag gut verzichten, da es ja DVD-Player gibt und man nie soviel Zeit zum Kochen hat wie am Sonntag.
Um allzuviel Doppelspurigkeiten zu vermeiden, verweise ich ferner auf die von mir losgetretene Diskussion auf
href=»http://www.freilich.ch/blog/?p=66″>freilich.
@kilchenmann Der DVD-Player wird bei uns meist von den Kindern gebraucht. Ich höre lieber Musik – Schallplatten. Und so kommt es, dass ich am letzten Sonntag an der Musikbörse in Roggwil war – Pink Floyd, the Wall gekauft. Da haben auch viele gearbeitet und die waren froh, wenn viele Leute kamen und vor allem kauften. Dann habe ich in Pratteln noch einen Strauss gekauft. Meine Hausgärtnerei hat einen Zettel an der Türe – Sonntags nicht mehr geöffnet. Da der Garten nicht mehr viel Farbe für meine sonst üblichen Sträusse hergibt, war ich froh, in der Autobahnraststätte nebst Blumen zu kaufen, eine gute Diskussion mit der Verkäuferin hatte. Ja, was schenkt man sonst einer 92 jährigen Dame in Basel, die man eigentlich per Zufall kennengelernt hat. Ansonsten bin ich eigentlich kein grosser «Sonntagstourist». Ich lese lieber zur Musik zu Hause – und in obenstehenden Kommentaren sind einige interessante Blogs vermerkt, die lesenswert sind.
Lieber Stephan,
Du nimmst Dir mit Fug das Recht heraus, einen eignen Bezug zum Sonntag und der kommenden Abstimmung zu wählen. Der Sonntag ist in Auseinandersetzung, ob er nach DIN-Vorschriften betrachtet wird, und der siebte Wochentag ist, ob er nach christlich-jüdischem Kalender der erste solche ist, oder ob im Speziellen in vom Christentum geprägten Ländern ein wöchentlicher Feiertag ist, in welchem in lateinischen Tochtersprachen noch der Tag des Herrn, an welchem seine Auferstehung gefiert wurde, wie etwa der Römer Plinius schreibt. steckt: Dimanche, Domenica von dies Domini. Als ob nicht jeder Tag dem Herrn zu weihen wäre, müsste die Codifizierung auf einen Wochentag hinterfragt werden. Mit Kaiser Konstantin wurde der Sonntag als Ruhetag kodifiziert, und einzig dringende Arbeiten auf dem Felde waren den Bauern erlaubt. Das Hochmittelalter verfügte die Sonntagsheiligung erklärte Sonntagsarbeit zum Frevel, woran die Reformation sich stiess: ‚Darum geht nun dies Gebot nach dem groben Verstand uns Christen nichts an, denn es ein ganz äußerliches Ding ist, wie andere Satzungen des Alten Testaments, an sonderliche Weise, Person, Zeit und Stätte gebunden, welche nun durch Christum alle frei gelassen sind. Aber einen christlichen Verstand zu fassen für die Einfältigen, was Gott in diesem Gebot von uns fordert, so merke, daß wir Feiertage halten nicht um der verständigen und gelehrten Christen willen, denn diese bedürfen nirgends zu, sondern erstlich auch um leiblicher Ursache und Notdurft willen, welche die Natur lehrt und fordert… (M. Luther, Katechismus). Sabatähnliches Heiligen des Sonntags kommt im Barock auf, setzt sich in den Pietisten des 18. Jahrhunderts fort, und das schweizerische Fabrikgesetz vom 1877 schränkt die Arbeit am Sonntag autoritativ ein. Der wirtschaftliche Druck durch Maschinen, deren Auslastungszeit möglichst rund um die Uhr Stunden zu erfolgen hat, setzt sich sowohl gegen die traditionell-religiösen als auch gegen die sozialen und humanitären Gründe durch. Neuere Arbeitsgesetze lassen für den Sonntag wieder mehr und mehr Ausnahmen zu: Die sich als die Regel erweist, als die sich selber erklärt deshalb erklärt, weil wir längst in einer Ausnahmesituation nicht einzig wegen den konzentrierten Naturverheerungen leben. Das Verhältnis zwischen Natur und Kultur ist neu zu bestimmen, und die Abstimmung über den Umgang mit dem Sonntag ist hierzu eine Chance zur Neueinstimmung der Gesellschaft, die einem Orchester gleicht, dessen Instrumente, darunter der Sonntag, zu stimmen sind. Wer den Ton – für den Sonntag – angibt, ist keineswegs gleichgültig, und noch wichtiger ist. Von der Instrumentalisierung eines Volkes hängt sein Stil ab, mit welchem er nach innen und über die Grenzen politischer Macht hinaus wirkt, und dieser Stil hat glaublich damit gelitten, dass er linear bzw. binär auf Arbeit und Genuss in der heutigen Gesellschaft hin strafft (darin Strafe). Die Diskussion über den Sonntag ist deshalb keiner Gesellschaft als Konsumverein, wie sie bzw. er sich in der Televions-Reklame dar- & darin herstellt, auszuhändigen, der einer Geldoligarchie huldigt.
Ein Lebensgefühl ist auf die Dauer ohne Stil nicht denkbar. Der Lebenskampf hat den Leistungsmenschen hervorgebracht, welcher jetzt auf den Sonntag greift. Wie immer der einstige stilkonstituierende Adlige sich verhielt, aus Zwang tat er nichts. Er diente -als Absolutist von legibus absolvere, Gesetzen nicht unterworfen – um der Ehre willen und keineswegs nach einer bürgerlichen Moral oder dem Gesetze, ein Fingerzeig dafür, den Sonntag nicht zu reglementieren. Wer ihn heiligt, verbeugt sich vor sich selber, nicht vor dem Staate, und heiligt er ihn durch seine Arbeit vor dem Anlitze des Herrn, handelt er gerecht, ohne den Allüren des Hochwohlgeborenseins oder des Hochwürdenseins, des ‚Heers’, wie der Pfarrer in Walsergebieten bis heute heisst, zu huldigen. Der Umgang mit dem Sonntage ist eine Chance, einen Stil in einer mit der gebrochenen oder doch geschichteten Gesellschaft, die ein soziologisches Faktum, doch kein Kulturinstrument ist, zurück zu gewinnen, weshalb sie heute zur einseitigen Zwangslosigkeit auch am Sonntage zwingt, an welchem heute schon alles so verläuft, wie die Modemagazine das vorschreiben. An die Stelle der Kirche tritt die Bar, Party, der Stehkonvent: Stil? Frei vom Arbeitsverbot will deshalb mit einem Frei für sinnvollen Umgang – einer problematisch heroisch darin gebliebnen Gesellschaft, dass sie sich zwanglos gibt, doch Zwanglosigkeit mit Freiheit dabei gleichsetzt – mit dem jeweiligen Sonntag verwoben werden. Die angepeilte ‚Liberalisierung’ des Sonntags ist hierfür eine zu nutzende Chance für einen nachhaltigen öffentlichen Diskurs, öffentliches Denken über Freiheit, welches über eine relative Belanglosigkeit von Arbeitzeitvorschriften hinaus zielt, wenn’s um den ersten bis zum siebten Tag des Herrn geht.
Guten Sonntag,
Jean-Claude