Die Dekade der Zahlengläubigkeit geht zu Ende


Die Wirtschaftskrise hat es bewiesen. Die Minarettinitiative hat es bewiesen. Auf Zahlen ist kein Verlass mehr. Langsam kommt die Zeit wo man/frau Zahlen hinterfrägt.

Ob sie jetzt die usuelle, die gebräuchliche Dekade nehmen die in einigen Tagen zu Ende geht oder das eigentliche Dezennium, das erst 2010 fertig ist, spielt keine grosse Rolle. In den vergangenen Jahren wurden wir oft mit Zahlen getäuscht. Nicht im Kommastellenbereich, wie wir das exakt gelernt haben, sondern um Prozente oder gar um Faktoren. Das liegt nicht daran, dass heute die Mathematik weniger verstanden wird. Eher daran, dass vor allem in der Betriebswirtschaft sich in der Ausbildung viel mehr um mathematische Methoden dreht. Schliesslich geht der Lehrkörper mit der Zeit. Dank programmierbarem Taschenrechner und Computer ist das Ausrechnen in der Mathematik viel einfacher und vor allem extrem viel schneller geworden.

Den Umbruch dieser Zeit habe ich voll miterlebt, ja sogar mit beeinflusst. Sollte es jemanden erstaunen, dass der Finanzblogger den ersten programmierbaren Finanzrechner in die Schweiz brachte. Das Verständnis für Mathematik musste ausgeprägt sein, denn die meisten Programme mussten wir selbst schreiben. Eine Matrix mit zwei Unbekannten war schwieriger als zum Beispiel der Biorhythmus, vorausgesetzt man hatte einen Kollegen mit einem technischen Studium, damit man Sinus und Cosinus einbinden konnte. Heute kennt jeder Student diese Fachausdrücke, die lineare Programmierung und und und. Er hat das wesentlich grössere theoretische Wissen. Nur eben, das Gefühl für Mathematik ist nicht jedem gegeben. Früher wie heute nicht. Nur die Zahlengläubigkeit ist extrem viel höher.

Einige Gegenheiten sind schuld, dass die Zahlengläubigkeit aber rassant sinkt. An Performancevoraussagen, an Risikoeinschätzungen, an Umfragevorhersagen glaubt man immer weniger.

Wenn erstaunt es, dass Blogger an der abnehmenden Zahlenungläubigkeit schuld sind.

Der Blogger Claude ist schuld, der Blogger Moritz wehrt sich und der Finanzblogger versucht neutral die Mechanismen auszuzeigen.

Die Schweiz scheint den Alleinschuldigen an der Minarett-Initiative gefunden zu haben. Den Stadtwanderer Claude Longchamp. Er schreibt eben über Finn, das Wappentier der Hauptstadt, das die Schweiz etwa gleich stark bewegt. Aber in Bern gehen noch andere mit gewetzten Krallen herum – Medienminister attackiert Longchamp. Blogger gegen Blogger. Mit einem habe ich «per Du» kommuniziert, mit dem andern «per Sie». Wobei ich Letzteren an einem Bloggertreffen in Zürich persönlich kennen gelernt habe.

Marktforschung liegt oft daneben. Das wissen Finanzblog-Leser seit Jahren. Die Meisten lächeln nur über die Nachkommastelllen – was vor dem Komma steht wird als bare Münze angenommen. Pech nur, wenn plötzlich 60 bis 70 Prozent mehr Leute abstimmen gehen als üblich. Da bleibt nur die Frage, wieso so viele mehr. Weil sie Angst haben, weil sie sich selbst betroffen fühlen. Es ging kein Einziger mehr abstimmen, dem Minarette eigentlich gleich sind. Die Zahlengläubigkeit lässt grüssen. Wissen schafft auch die sogenannte Wissenschaftlichkeit. Auch die Wissenschaft hat ihre Grenzen, obschon man sich hinter ihr gut verstecken kann. Gesunder Menschenverstand oder das Bauchgefühl wären manchmal genauer. Vielleicht lernen wir daraus – was ich aber bezweifle. Da helfen auch Aussagen, wie «Wir sollten das nächste Mal solche Initiativen ungültig erklären» nichts, denn solche Voten hat man im Vorfeld der Abstimmung mehrmals gehört.

Also bleibt nur die Zeit die hilft. Vielleicht werden in Zukunft Zahlen, sogenannte wissenschaftlich fundierte Zahlen vor allem, nicht mehr einfach überall für Gottgegben angenommen.

Zum Adventskalender von Monsieur Fischer

Vor einem Jahr im Finanzblog erschienen:
Das Finanzblog ist am Finanzcrash schuld – q.e.d.

Vor zwei Jahren erschienen:
Umwelt- und Energiefragen

Vor drei Jahren erschienen:
Adventskalender – 11. Tag – Kroatien

Vor vier Jahren erschienen:
11. Fenster – relative Briefmarken

6 thoughts on “Die Dekade der Zahlengläubigkeit geht zu Ende”

  1. Es kann sein, dass die Beraterin der Bank ein aussergewöhnliches Angebot unterbreitet (in Wirklichkeit will sie für ihre Comagnie möglichst viel herausholen!). Bald soll ich mich mit der Variante «Klassich (stock konservativ, «Geradlinig» («Da weiss man, was man hat.» Wirklich?) oder «Dynamisch» ( für jene, die sich selber als dynamisch betrachten) entscheiden. Dann kommt noch die Teuerung, der Zinssatz, das Risiko, der Spesenfaktor und der Zeithorizont dazu. Was nützt mir dieser, wenn er im besten Fall mindestens bei 29, im schlechteren Fall bei 61 Jahren liegt, derweil mein statistischer bei etwa 18 ist? Vielleicht liege ich mit etwas Klotz unter dem Kissen besser. Aber wie soll ich der Hausangestellten erklären, dass es sich lohnt, diesen regelmässig zu verschieben um das Bett in Ordnung zu bringen und ihn nachher wieder unters Kissen zu legen? Sie, die jeden übrigen Batzen der Bank bringt? Nun, wer die Wahl hat wird gequält und Zahlen sind halt doch mehr als ein paar aneinandergereihte Ziffern!

  2. sieben, eine heilige Zahl, mag sein…
    Sieben von 18 = 11
    Die lange Dauer steht für die exponentielle Variante. Auch wenn man ganzklein anfängt, schlägt sie beiden andern immer. Aber Eben, der Zeitfaktor ist zu beachten.
    Für die letzten 11 Jahre habe ich vorgesorgt. Und as Kissen ist irgendwie sympathisch geworden. Der Klotz passt sich auf die Dauer der Belastung an. Es entsteht ein Abdruck meines «Graue-Masse-Trägers». Der Bildhauer Rolf Brem aus Meggen, könnte ein Sujet finden… In Kombination mit einer Maschine von Tinguely oder von Luginbühle, würde sie dauernd «bearbeitet», gehämmert, gepiesakt, als Ausdruck modernen Lebens…
    Was wäre, wenn ich ab dem 8. Jahr die ganze Angelegenheit schon vergessen hätte…? Nun, falls sich der Sozialstaat dann nicht schon alles unter den Nagel gerissen hat, würden sich die Nachkommen kaum an ein paar Brosamen echt freuuen…
    Ich habe die «strukturellen Produkte absichtlich nicht erwähnt, weil sie die Beraterin vermutlich zwar verkaufen kann, das mathematische Modell, welches dahinter steckt, jedoch kaum selber versteht…

  3. Ich persönlich kann dieser ganzen Zahlen-Magie nichts abgewinnen. 2009 ist zu Ende gegangen, ohne dass etwas passiert wäre. 2010 auch. Jetzt soll ja 2012 wieder die Welt untergehen. Aber hatten wir das nicht 2000 schonmal? Und – komisch – sie dreht sich immer noch weiter.

  4. … stimmt … am 21.12.2012 … wer Angst hat, soll zumindest sein Geld auf mein Postfiancekonto überweisen … ich werde ihr Geld nach diesem Datum noch brauchen können …

Schreiben Sie einen Kommentar zu SMS -für sie gelesen Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert